Seriencheck (XXXIX)

Diesmal mit einem Blick auf neue Serien bekannter Gesichter, einigen Staffelstarts, wieder einer deutschsprachigen Serie und ein paar Entwicklungstendenzen.

Mr. Sunshine (S1E01)

Chandler ist wieder da. Ein bisschen älter ist er geworden, der Gute, genauer gesagt pünktlich zum Serienpiloten 40 Jahre. Da kann ich mitfühlen, dieser Kelch kommt in ein paar Tagen auch auf mich zu. Legt man die erste Episode zugrunde, bekommt man den Eindruck, als hätte er nie seine FRIENDS gehabt, um einen funktionsfähigen Menschen aus ihm zu machen. Stattdessen arbeitet er sich verdrießlich und vom Leben desillusioniert durch seinen Alltag als Manager einer Mehrzweckhalle, leidet unter seiner mental gerne abhebenden Chefin, dem für ihn nicht neuen Ende einer Romanze, der fehlenden Kompetenz der Mitarbeiter und diversen arbeitsbezogenen Problemchen wie etwa der unbedingt zu verhindernden Aufführung der Eisrevue "Elephants on Ice".

Natürlich rede ich von Matthew Perry, einem Schauspieler, der eine Rolle in der neuen Sitcom "Mr. Sunshine" spielt. Eine Rolle, die sich allerdings wirklich ziemlich treffend beschreiben lässt, wenn man so wie ich im obigen Absatz Parallelen zur fiktiven Figur Chandler Bing zieht. Das Setting erinnert mich zudem etwas an "30Rock" (seltsamer Vorgesetzter; Verantwortlicher, der a) genug Probleme mit sich hat und b) täglich gegen das Chaos seiner Mitarbeiter ankämpft), der Humor zündete allerdings noch nicht direkt wie bei Tina Feys Meisterwerk. Man merkt der Show bereits im Piloten an, dass sie etwas reißen will, dass sie ihr sicherlich vorhandenes Potenzial zeigen will. Schließlich taugt eine Mehrzweckhalle im Erfolgsfall den Drehbuchautoren als wandlungsfähiges Vehikel, um Gaststars (wie eben "LOST"-Darling Jorge "Hurley" Garcia) in die Skripte reinzuschreiben. Richtig überzeugen konnte mich der Pilot allerdings noch nicht. Vielleicht war auch Andrea Anders schuld, die mittlerweile fast hauptberuflich durch unverdient kurzlebige Shows tingelt und mich in ihrer Rolle an den Start von "Better Off Ted" erinnerte, welcher mich weit mehr zu beeindrucken vermochte. Keine Sorge, ich werde dem traurigen Sonnenscheinmann dennoch weiterhin eine Chance geben. 

Mad Love (S1E01)

Eine neue Show mit Sarah Chalke aus "Scrubs"? Ich mag Sarah Chalke! Und das nicht nur wegen der wunderbaren Namensähnlichkeit zu meinem Lieblingsfußballverein. Es geht um vier New Yorker, allesamt Ende 20, alle auf der Suche nach Liebe. Das typische RomCom-Rezept eben. Der ausführende Sender CBS platziert diesen Newcomer in das Lineup mit "How I Met Your Mother" und nach Sichtung der ersten Episode stelle ich mr schon die Frage, ob wirklich keinem, niemandem, nicht einer einzigen an der Produktion beteiligten Person da etwas aufgefallen ist. Moment, ich fange aus enthüllungsdramatischem Zweck einen neuen Absatz an:


DAS IST HOW I MET YOUR MOTHER, ABER IN SEHR DEUTLICH WENIGER GUT.

Es beginnt mit einem Voice Over des aus "Reaper" bekannten Tyler Labine (der sich sicher auf die Zunge beißen musste, um die Zuschauer nicht mit einem "Kids,..." zu begrüßen), die Gang trifft sich in der atmosphärisch 1:1 übernommenen Kneipe, Jason Biggs ("American Pie") sucht nicht nur die große Liebe, sondern auch eine möglichst große Ähnlichkeit in der Darstellung zu Josh Radnor, Sarah Chalke nimmt ihre Figur aus HIMYM quasi wieder auf und der eingangs erwähnte Labine möchte gerne der Barney sein, hat aber leider nur Zoten statt Klasse zu bieten. Was noch fehlt - außer einem Marshall für die als Lily gecastete Judy Greer ("Arrested Development") - sind funktionierende Gags. Wo das große Vorbild auch in der 5. Staffel immer noch frische und komische Situationen anbietet und durch erinnerungswürdige Episoden wie den just direkt vor dem Piloten platzierten "Desperation Day" Spaß verbreitet, fällt bei "Mad Love" die Unterhaltungskurve erschreckend steil ab und landet nur wenige Ausschläge nach oben auf ihrer sonst flachen Geraden. Ich würde an der Stelle von CBS schnellstens ein paar Stellenanzeigen schalten, um Autoren zu finden, die der Show und ihren Figuren etwas mehr Eigenständigkeit einhauchen. Etwas mehr als "Hey, die suchen immerhin keine Mutter" müsste es schon werden.     

Outcasts (S1E01)


Kolonisations-SciFi-Drama der BBC. Die Erde ist mal wieder im Eimer, der Rest der Menschheit flieht zu einem bereits besiedelten Planeten, auf dem die Bewohner fröhlich dabei sind, Uneinigkeit und Chaos als Begrüßungsgeschenk zu verbreiten. Der US-Serienfan erblickt mit einem "Hurra" in den Augen Jamie Bamber alias Apollo aus "Battlestar Galactica", kann sich aber nicht lange daran erfreuen und darf sich stattdessen viele erhabene Dialoge von erhabenen britischen Darstellern anhören, während in die Kulissen offensichtlich sehr wenig Budget geflossen ist. Entweder das oder auf fremden Planeten sieht es aus wie bei mir hinterm Garten, wo Matsch und ein Flüßchen für tümpelhaftes Ambiente sorgen. Man ahnt es: Outcasts hat mich nicht begeistern können. Kaum Action, zu lange Laufzeit mit viel Gerede, das britische Englisch bereitet mir wie üblich Verständnisschwierigkeiten, die zu überwinden ich wenig Anreiz sehe. Es folgt der gewohnte Aufruf an die werte Leserschaft: wenn das richtig gut werden sollte, bitte Bescheid sagen. Ich siedele solange alleine weiter.

Doctor's Diary (Season 3)

Wieder eine deutsche Serie im Seriencheck. Die Kandidaten für diese Ehre kann man ja locker an einer Hand abzählen. Dr. Gretchen Haase und ihre ewige Liebesjagd auf Dr. Meier brachte mir auch in der dritten Staffel eine Menge Spaß. Vor allem, weil der langweilige Millionärstyp endlich in den Wind geschossen wurde. Die Dialoge sind stellenweise von urkomischer Direktheit, die Geschichten teilweise herzhaft überdreht, Dr. Kälbchen zieht wie gewohnt souverän von einer Liebeskrise zur nächsten, Frau Dr. Hassmann bleibt die Frau Dr.milf. meines Herzens, der neue Pathologe ist ein liebenswerter Nerd, Schwester Gabi treibt mich mit ihrem Sprachduktus immer wieder ins Kichern und Dr. Meier kann so herrlich gemein zu Frauen sein, dass ich ihn gerne als Co-Kommentator dabei hätte, wenn ich wirklich das unfassbar kompetenzfreie WM-Tagebuch zur Frauenfußball-WM 2011 schreiben sollte.

Kurzum, die dritte Staffel hat mir wieder ein Stück besser gefallen als die zweite. Ein dickes Lob für die Autoren, die beweisen, dass auch deutsche Serien lustig sein können. Und wer so cool ist, in das sehr rührige und selbst mir ein leises "Hach" entlockende Finale auch noch eine Little Britain-Referenz einzubauen, hat bei mir als Serienjunkie eh einen dicken Wertungsstein im Brett. 
5.5 von 6 Punkten (sehr gut)

Justified (S2E01)

Deputy Marshal Raylan Givens ist wieder zurück und gibt den Hinterwäldlern Saures. Hut auf, schwarze Limo vorgefahren, Colt vorgewärmt und auf geht's. Die Staffeleröffnung mit "The Moonshine War" bot alles, was die Show bereits in der ersten Staffel groß gemacht hat. Wer Spaß an coolen Cowboys mit Law'n'Order-Einstellung und lässiger Konversationsfähigkeit hat, darf bedenkenlos einschalten. Ich bin mir sicher, "Justified" hat wieder ein paar Highlights auf der Pfanne.
  
Retired At 35 (S1E01-S1E04)

Den Piloten dieser klassischen Comedy fand ich wirklich gut, aber Stück für Stück bzw. Episode um Episode bröckelte meine Begeisterung ab. Anders als bei "Better With You", das sich kontinuierlich gesteigert hat und meines Erachtens eine echter Geheimtipp für Freunde der Beziehungskomöde geworden ist, werde ich bei "Retired At 35" nicht mehr dranbleiben. Die Altstars George Segal und Jessica Walter mühen sich redlich, doch die restlichen Figuren sind zu blass, die Drehbücher zu fade und bieder. Nach "Shit My Dad Says", "Mike & Molly" und "Outsourced" der dritte Streichkandidat auf meiner Comedyliste. Eigentlich der vierte, aber "Outsourced" gucke ich mit einem halben Auge weiter, weil mein Bruder Fan von Gupta ist.

Episodes (S1E01-S1E06)

Guter Start, aber dann ließ es doch stark nach. Eine Folge vor Ende der Staffel muss man leider dieses Fazit ziehen. Dabei waren die Voraussetzungen so vielversprechend, ich mochte den Ansatz, den Untergang einer US-Adaption einer britischen Erfolgsserie in allen lustigen und tragischen Einzelheiten zu erleben. Doch leider entfernte sich Episodes immer weiter davon, der Serienproduktion à la Hollywood den Spiegel vorzuhalten. Stattdessen driftete das Ganze in wenig unterhaltsame Kabbeleien zwischen Matt LeBlanc und dem Autorenpärchen ab. Schade, hätte man mehr draus machen können.

Kommentare

  1. Ich fand ja den "Mr. Sunshine"-Piloten ziemlich gut. Chandler ist tatsächlich zurück und es freut mich auch sehr Allison Janney nach "The West Wing" einmal wieder zu sehen. Da wird noch was draus. Garantiert.

    Ebenso hat mir "Episodes" bisher recht gut gefallen (bin noch bei Episode 4). Ziemlich nette Hollywood-Satire, die aber durchaus bissiger hätte ausfallen können.

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  2. Habe mittlerweile die zweite Episode von "Mr. Sunshine" gesehen und ... naja, da wäre ich auf deine Meinung gespannt.

    "Nett" trifft es ziemlich gut, was "Episodes" anbelangt, aber gegen Ende erscheint mir das ein bisschen zu wenig. Vielleicht haut das Finale es nochmal raus.

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  3. Von Episodes hab ich bisher nur den Piloten gesehen, hab mich noch nicht dazu aufraffen können, weiterzugucken. Kann also nicht so toll sein...

    Doctor's Diary ist tatsächlich eine ganz tolle Serie. Staffel 2 war etwas zu sehr abgedreht, der dumme Millionär echt nur nervig und langweilig, aber Staffel 3 in Summe sehr gelungen.
    Und auch wenn das Finale ein perfektes Serienfinale war und man eigentlich alles wieder kaputt machen muss, wenn man weitermachen will (sag ich mal so), wünsche ich mir doch eine vierte Staffel.
    Morgen geht dann ja auch die nächste gute deutsche Serie weiter: Pastewka. Wobei der i den letzten Staffeln schon öfter mal ein paar Hänger hatte. Bin gespannt.

    Bei den restlichen Serien warte ich mal ab, wie sich die Expertenmeinung hier entwickelt...

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  4. Episodes wird meiner Meinung auch nicht besser mit den nachfolgenden Episoden. Doctor's Diary darf wirklich eine vierte Staffel bekommen, die Quoten waren ja auch sehr gut. Sollen sich die Autoren einfach mit den Schreiberlingen von "Chuck" austauschen, die haben ja mittlerweile reichlich Erfahrung in der Disziplin "Es geht auch noch dem eigentlichen Abschluss weiter".

    An Pastewka habe ich natürlich auch gedacht, siehe aktuelles Posting. Ein paar Hänger mag es gegeben haben, die wurden aber durch richtig gute Folgen (Stichwort: mit Anke Engelke im Aufzug) ausgeglichen.

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