Seriencheck (141)

Es sind harte Zeiten da draußen, weshalb es zwingend notwendig ist, dass es gut funktionierenden Eskapismus in Form von TV-Serien gibt. Ich hatte in den letzten Monaten neben Trump-Zermürbungssyndrom und Weltenlageverzweiflung etwa noch eine Schleimbeutelentzündung und eine fiese Bronchitis.

 Hier ein Überblick über das, womit ich mir das Elend der Welt kurzzeitig vom Leib halten konnte. 

ADOLESCENCE

 

Der 13-jährige Jamie (Owen Cooper) soll eine furchtbare Tat begangen haben. Was genau, zeigt diese vierteilige Netflix-Produktion, beginnend mit dem Morgen danach.

Freunde von Familiendramen, die erste Episode von "Adolescence" hat mich wirklich mitgenommen, ich musste nach dem Ende erst mal tief ausatmen. Und ich habe nicht mal Kinder. Gnadenlos fährt die Kamera dicht am Geschehen entlang, hält auf die Action, die Gesichter, die Emotionen, die Verzweiflung. Als Zuschauer kommt man sich vor, als wäre man hautnah mittendrin. Höchstwertung von meiner Seite, 6 Punkte für diesen Parforceritt.

Die nächsten Episoden wird es ruhiger, durch die brillanten darstellerischen Leistungen (neben Owen Cooper sei hier Mitschöpfer Stephen Graham hervorgehoben) kann das hohe Qualitätsniveau allerdings gehalten werden. Ich will gar nicht mehr über den Fortgang der Geschichte verraten, das muss man selbst vor dem Fernsehschirm erlebt bzw. durchlebt haben. Guckempfehlung und wenn ihr Kinder habt, bindet euch vorsorglich ein Kissen vor die Magengrube.

GESAMTWERTUNG: 5,53 Punkte (sehr gut)

BLACK MIRROR (Season 7)



Fabrikfrische Geschichten darüber, was alles mit neuer Technologie schiefgehen kann. Ist Black Mirror wieder am Puls der Zeit oder wie die letzten Staffeln eher gähnig?

Common People 

Oder: Wenn moderne Medizin das Abo-Modell entdeckt. Da liebe ich schon die Darsteller Chris O'Dowd (IT Crowd), Rashida Jones (Parks And Recreation) und Tracee Ellis Ross (Blackish). Die Story mit dem deutlichen Seitenhieb auf Netflix & Co. hat neben Drama auch ein paar Lacher, die einem zum Ende aber im Hals stecken bleiben. 5 Punkte.

Bête Noire 

Unverbrauchtes Setting, spannende Figurenkombination, aber die Auflösung ist dann doch so arg drüber konstruiert, dass sie einem "Denk da nicht drüber nach, war doch krass bis dahin, oder? Und der Schluss? Hey, boah, oder?"entgegenschreit. Ich denke aber gerne drüber nach. 4,5 Punkte.

Hotel Reverie 

Spricht den Filmfan und Nostalgiker in mir an, der das Gimmick dieser Episode gerne mal ausprobieren würde. Andererseits: das würde Markus Söder wohl auch machen und dann hunderte von Clips auf Instagram posten. Örks. Wie kriege ich jetzt das Bild von Söder als Luke Skywalker im X-Wing beim Anflug auf den Todesstern mit einer Nürnberger Bratwurst in der Hand aus meinem Kopf? Aaargh! Trotzdem eine gut unterhaltsame Episode. 5 Punkte.

Plaything 

Hallo, hier Zielgruppe. Wer die englische Gaming-Szene der 90er nicht mitbekommen hat, dürfte hier weniger Spaß haben als meine Wenigkeit (9,4 Punkte für Magic Carpet gingen absolut in Ordnung, damals konnte der Peter Molyneux noch was). Peter "Doctor Who" Capaldi zieht das Ding für mich am Ende über die "Gut"-Markierung. 5 Punkte.

Euology 

Wunderbar zurückhaltende, intime Geschichte über eine Reise in die Vergangenheit anhand von Bildern. Mit Paul Giamatti (The Holdovers), der mit seiner Präsenz aus kleinen Geschichten große Geschichten macht, an deren Ende man als Zuschauer wohlig seufzt. 5 Punkte.

USS Callister: Into Infinity

Auf Spielfilmlänge gebrachte Fortsetzung einer der besten Folgen der vierten Staffel. Kann man für einen schönen SciFi-Abend prima als Doppelfeature gucken. Lief für mich lange auf der "gut"-Schiene, weil der Vorgänger eben so toll war, gegen Ende steigerte es sich dann doch und bietet ein rundes Ende. 5,5 Punkte

Gesamtwertung: 5,05 Punkte (gut)

SEVERANCE (Season 2)


 

Alles wieder schön seltsam bei Lumon? Die Büros in grellem Weiß, der Boden in kotzübelgrün, die Gänge schier unendlich?  

Nach einem originellen Einstieg mit plötzlich neuer Crew und entsprechender Verwirrung setzt schnell die Normalität ein. Gut so, denn ich finde "Severance" einfach am stärksten mit Mark, Helly, Dillon, Irving und Milchick in ihren Innie-Versionen. Weshalb mich die Folgen, die sich um andere Charaktere wie Miss Casey oder Miss Cobel drehten, deutlich weniger überzeugen konnten. 

Highlights für mich waren eher das Aufeinandertreffen mit der Ziegenhirtin (Gwendoline Christie, "Game of Thrones") und der Betriebsausflug nach Woe's Hollow, der in einer Episode konzentriert die mysteriöse, aber auch lustige Abgedrehtheit der Show ablieferte.

Der Rest wusste insgesamt gut zu gefallen, wozu auch das Finale zählte. Also diesmal keine schockierende Enthüllung als Rausschmeißer. Die bange Frage, ob sich das Weitergucken lohnt, kann insgesamt bejaht werden. Ein bisschen schwächer ist die zweite Staffel aber schon ausgefallen.

GESAMTWERTUNG: 5,10 Punkte (gut)

ASTERIX & OBELIX: DER KAMPF DER HÄUPTLINGE


 

Netflix präsentiert: eine TV-Serie zu Asterix & Obelix. Hatten wir ja noch nicht. Das zugrundeliegende Heft desselben Namens, hierzulande als Band 4 im Jahre 1969 veröffentlicht, allerdings schon. 

"Asterix erobert Rom" war einer der ersten Filme, die ich im Kino gesehen habe, die Comicbände habe ich gesammelt und geliebt. Selbst in die neueren habe ich noch reingeschaut. Nur die Realverfilmungen konnten mir nichts geben und wurden folglich gemieden. Man kann also sagen: die Gallier sind mir ans Herz gewachsen. Wehe, Netflix macht mir da was kaputt!

Entsprechend war ich kritisch und die erste Episode kriegte mich ehrlicherweise nicht ganz. Technisch sehr ordentlich, die deutschen Stimmen passend, aber braucht es als Einstieg wirklich einen Blick auf unsere beiden Helden im Kindesalter? Und mit einer kleinen Veränderung in der "Obelix ist in den Zaubertrank gefallen"-Sage?

Die Episoden 2 und 3 steigerten sich, es gibt weitere Ergänzungen, zusätzliche Figuren, aber es fügt sich stimmig zusammen. Was auch für den Rückblick zum Auftakt gilt. Eine Erweiterung gegenüber dem Original fand ich sehr gut gelungen, ging sie doch eine Frage an, die ich mir direkt im Zusammenhang mit dem namensgebenden Kampf gestellt hatte. Weshalb ich für die letzten beiden Folgen sogar die 5,5 zücken konnte. 

Ich bin selbst überrascht, wie gut mir diese modernisierte Version des Klassikers gefallen hat. Fans dürfen bedenkenlos gucken, Neulinge werden hoffentlich vom Zauber(trank) eingefangen.

GESAMTWERTUNG: 5,20 Punkte (gut)

REINGESCHAUT

THE HANDMAID'S TALE (Season 6)


 

Finale Staffel für June, jetzt geht's den Schergen aus Gilead aber mit der Kneifzange an die mickrigen Eier, oder? 

Nach sechs von zehn Folgen lautet da meine Einschätzung: "Nee, nicht wirklich". Die Show krankt für mich an denselben Problemen wie die Vorgängerstaffel. Von den Bösen sind einige auf der Seite von June, es fehlt der eine große Antagonist (und sorry, aber Jonah Ryan aus "Veep" kann ich da nicht ernstnehmen), statt Action gibt es eher emotional triefende Momente der Wiedersehensfreude und Sorgen um die Kinder, Luke ist ein ziemlicher Lauch geworden und Aunt Lydia nur noch ein Schatten ihrer selbst. Kurz gefasst: Ich will Arschtritte und bekomme Hach. 

Immerhin lässt die bisher letzte Folge "Surprise" aufhorchen, da könnte der Startschuss für ein "Jetzt dreht die Mama auf"-Finale gefallen sein. Ich warte ab. Bisher aber eher enttäuschend.

DURCHSCHNITTSWERTUNG NACH SECHS EPISODEN: 4,50 Punkte (befriedigend -)

ANDOR (Season 2)


Endlich die Fortsetzung einer der hochgeschätztesten Star Wars-Serien. Auch ich bin spät, aber dennoch überzeugt in den Club der Andor-Gläubigen eingetreten. Die Gefängnisepisoden haben mich damals eben einfach umgehauen.

Nach zwei der jeweils in Dreierepisodenpacks aufgeteilten Storybögen gefällt es mir durchaus, wobei meine Favoriten klar Cassian und Bix sind. Weiterhin sehr schwer tue ich mich mit Partygirl Mon Mothma und ihrer Senatoren-Clique. Bei den von meinem (in der ersten Staffel ausgestiegenen) Bruder "Frau Kinski und das Muttersöhnchen aus der unteren Verwaltungsebene" benannten Dedra und Syril erhoffe ich mir noch ein paar schön unangenehme Entwicklungen.

Weiterhin gilt auch: man muss ein Faible für das Kleinteilige dieser Rebellion und Star Wars-Hintergrundgeschichten haben. Die Schauwerte stimmen in den großen Momenten wie etwa direkt dem Auftakt, aber es spielt auch vieles im Unscheinbaren, Unglamorösem und wenig Spektakulärem. Würde ich etwa den Plot dieser Staffel diversen Filmstudiobossen verkaufen wollen, über Spinnen und die Kleiderindustrie auf Ghorman referieren, seltsam irgendwie unverständliches Französisch redende Untergrundagitatoren anpreisen oder den fiesen Plan des Imperiums mit den Bodenschätzen enthüllen, keiner würde mir das aus der Werbung bekannte: "HERR JAUCH, DAS IST EINE REVOLUTION" entgegenschreien.   

Bisher konnte ich fast jeder Folge eine, wenn auch manchmal knappe, gute Wertung abringen. Ich hoffe noch auf ein paar Knaller hintenraus wie bei der Vorgängerstaffel.

DURCHSCHNITTSWERTUNG NACH SECHS EPISODEN: 4,92 Punkte (befriedigend+)

THE STUDIO (Season 1)


 

Matt Remick (Seth Rogen) leitet ein Filmstudio, das sowohl Blockbuster- als auch anspruchsvolle Produktionen in die Kinos bringen will. Ein Unterfangen, bei dem einiges schiefgeht, wie der Blick hinter die Kulissen zeigt.

Gespickt mit so vielen prominenten Gaststars, dass ich sie hier gar nicht aufzählen kann, das Thema reizt mich als Filmfan natürlich, die aufkommenden Problemchen rundum Casting, Dreh und Werbung sind schwer interessant und haben komisches Potenzial. Also super Show, irgendwas über 5 Punkte, alles prima, oder?

Nicht ganz. Ich habe nämlich in den beiden Absätzen oben den Grund versteckt, weshalb es mir nicht gelingt, komplett begeistert zu sein. Seth Rogen. Der mit Seth MacFarlane und Adam Sandler das heilige Triumvirat bildet, welches mein Humorzentrum nicht trifft, selbst wenn es unmittelbar davor steht. Als Beispiel erwähne ich die von Kathryn Hahn gespielte Figur, die laut prollig fluchend und leicht besoffen ihre als eigens absolut voll cool eingeschätzten Sprüche durch den Raum bollert. Oder Johnny Knoxville, der auf Zombies mit explosivem Sprühstuhl trifft. Oder den schalen Pimmelwitz als Rausschmeißer der ansonsten sehr ordentlichen ersten Folge. Warum?

Sieben Episoden sind durch und ich muss da bei einigen Punktabzüge machen, für 5 Punkte im Schnitt reicht das bis dato nicht. Wer mit dem Humor was anfangen kann, darf gerne einiges draufpacken, denn abseits der oben aufgezählten Ausfälle ist das durchaus unterhaltsam.

DURCHSCHNITTSWERTUNG NACH SIEBEN EPISODEN: 4,85 Punkte (befriedigend) 

THE LAST OF US (Season 2) 


 

Craig Mazin und Neil Druckmann haben Eier, das muss man anerkennend feststellen. Ich hätte es nicht geglaubt, aber die beiden haben tatsächlich den fetten Schockmoment der zweiten Staffel genauso früh rausgehauen wie im zugrundeliegenden Spiel. Meine Fresse! Dafür musste ich die Höchstwertung ziehen, auch weil die Folge schon die halbe Stunde zuvor mit einer epischen Angriffsszene der Pilzinfizierten aufwartete.

Ja, es gibt wieder Veränderungen zum Original, sogar eine ziemlich einschneidende, was die neue Antagonistin Abby (Kaitlyn Dever, "Justified") angeht. Und die diese Figur anders beim Zuschauer ankommen lässt. Fand ich insgesamt gut gemacht, auch wenn es sicherlich einige geben wird, die hier anderer Meinung sind. 

Kann die Show nach diesem frühen Kracher noch etwas bieten? In der Episode unmittelbar danach ging man es zunächst ruhiger an, aber in der aktuell letzten Folge überzeugte man mich direkt wieder mit einem im Vergleich zum Spiel ausgebauten Charakter (Jeffrey Wright, wow!) und krachiger Action. Insgesamt ein sehr guter Wiedereinstieg.

DURCHSCHNITTSWERTUNG NACH VIER EPISODEN: 5,70 Punkte (sehr gut) 

 

Kommentare

  1. Jetzt du auch noch. Da muss ich "Adolescence" wohl doch mal schauen, auch wenn es nicht angenehm wird. Puh.

    "Black Mirror" kenne ich bisher nur vereinzelt. Das sollte ich auch noch einmal angehen.

    Die Asterix-Serie klingt toll. Ich mochte auch schon die neueren Filme. Da werde ich wohl mal einen Blick reinwerfen.

    Bei "Andor" geht es mir ähnlich, wobei ich auch wohlwollender bin. Habe erst vier Episoden gesehen und schon gehört, dass sich die Serie in der zweiten Hälfte enorm steigern soll. War ja in der ersten Staffel auch schon so.

    Auf "The Last of Us" freue ich mich schon extrem. Warte hier aber auch wieder auf die UHD Blu-ray.

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    1. Adolescence hat einmal die Höchstwertung bekommen und ist damit automatisch Pflichtguck. Da musst du jetzt durch..

      Black Mirror kann man sich gut und gerne Rosinen rauspicken. Die Folgen der USS Callister kann ich nur empfehlen.

      Bei Asterix bin ich dann sehr gespannt auf deine Meinung. Andor stehe ich vor dem letzten Dreierpack und hoffe auf Großartiges. Am besten derart Großartiges, dass ich direkt Rogue One und Episode IV im Anschluss sehen will

      The Last of Us hat heuer nur 7 Folgen, da wirst du eventuell schon bald beglückt.

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