Seriencheck (121)

Wie angedroht bzw. versprochen, hier der zweite Teil des Serienchecks mit dem Rest an TV-Shows, die noch in meine Jahreswertung 2019/2020 einfließen werden. Wer sich fragt, wo die kürzlich gestartete Abschluss-Staffel von "Dark" bleibt...

[Update] ...deren Besprechung habe ich jetzt nachträglich noch reingeklebt.

DARK SEASON 3


Tannhaus. Kahnwald. Doppler. Nielsen. Tiedemann. Was sich wie die Viererabwehrkette samt Torwart der deutschen Nationalmannschaft in einem alternativen Universum anhört, steht seit 2017 für Zeitreise, Hirnknoten und bedeutungsschwangere Sätze. Und zwar dank Netflix international erfolgreich.

Anlässlich der dritten und letzten Staffel der deutschen Mystery-Serie erging es mir mit fortschreitender Dauer wie bei Handke dem Tormann vor dem Elfmeter. Ich hatte Angst. Angst, die endgültige Auflösung blöd zu finden. Oder noch schlimmer: Sie nicht zu verstehen. Die vorherigen Ausgaben hatten je mindestens einen dicken Kracher aufgefahren und im Laufe sowie besonders gegen Ende noch mehr Verwirrung gestiftet. Zu Beginn wirft einem die Show entsprechend eine weitere Dimension in das Knäuel an Fragen, Andeutungen und Rätseln, dessen roter Faden immer schwieriger zu fassen war.

Mir machte es durchaus Spaß, die Stadt Winden mit dezent verändertem Personal kennenzulernen. Allerdings sollte sich bald rächen, dass ich mir nur ein paar Zusammenfassungen der zweiten Season angeschaut hatte. Will schreiben: Ich guckte hin und verstand wenig, wer mit wem warum und wieso. Jede zweite Folge ließ ich angesichts dessen über mich ergehen, was nicht zuletzt dank der weiteren Steigerung in Sachen schauspielerischer Qualität unterhaltsam war. X tötet Y, Y trifft sich mit dem älteren Z, der jüngere Z sitzt im späten 19. Jahrhundert fest, es fallen Sätze wie "Es passiert so, wie es immer passiert ist" oder "Alles nimmt seinen Lauf", Schnitt auf den Höhleneingang.

Vor dem Finale bemüht sich "Dark", den großen zeitlichen Bogen zu spannen und im letzten Akt schließlich tut man etwas, was wahlweise als sehr clever, aber auch ein bisschen als feige bewertet werden kann. Wie Alexander der Große einst den gordischen Knoten, löst die Show auch ihr mysteriöses Geflecht, in dem sie einen Ausweg wählt, den jeder Zuschauer nachvollziehen und mitgehen kann, ohne dass ihm der Kopf explodiert. Sie schickt Jonas und Martha auf eine letzte Mission, mit der sich alles zu einem Ende wendet. Einem anrührenden Ende, welches niemanden kalt lassen dürfte. Außer vielleicht den akribischen Schaubildmalern und Fadenzusammenknüpfern, deren Werk in der Schublade mit der Aufschrift "War letztlich nicht relevant, weil es zu nichts führte" landet. Immerhin dürfen jene auf der Webseite https://darknetflix.io/de ihre Theorien über den Familienstammbaum vergleichen.

"Dark" findet nach 26 Episoden einen würdigen Abschluss und begeht nicht den Fehler anderer Mystery-Shows, die den Absprung verpasst haben. Ob man in ein paar Jahren noch ehrfurchtsvoll über die Paradoxen und Raum-Zeit-Sprünge der Serie raunen oder eher einen "Naja, am Ende reicht es, nur das Finale gesehen zu haben" -Schlussstrich darunter ziehen wird, wird die Zeit zeigen. Denn die Zeit ist auch nur ein Knoten, von dem wir nicht wissen, ob unser Messer scharf genug ist.

GESAMTWERTUNG: 5,34 Punkte (gut) 

WESTWORLD SEASON 3


Ein neuer Fall aus der Kategorie: "Ich war skeptisch". Denn die dritte Staffel von "Westworld" trägt den Untertitel "New World" und bringt einen beachtlichen Kurswechsel mit sich: Nicht mehr viel mit Cowboys, Pistolen und einsam in weiter Prärie rumreiten, stattdessen ab in die Großstädte der Zukunft mit selbstfahrenden Autos, Flugtaxis, Mech-Robotern und neuen Figuren. Die Designentwürfe, die die Macher hier inszenieren, ballern ordentlich auf die Netzhaut. Allerdings war ich nach der Sichtung der zweiten Staffel kurz zuvor ehrlich gesagt ein bisschen androidenmüde geworden. Das alte "Na, du? Bist du noch Mensch oder schon Maschine?"-Spiel bei jeder Figur auf dem Bildschirm hatte mich dezent zermürbt und Staffel drei in der Hinsicht auch ein paar Fragen. Weshalb nach ein, zwei Folgen optischer Hingerissenheit kurz Ernüchterung einsetzte.

Aber "Westworld" reißt ab Folge vier der insgesamt diesmal nur achtteiligen Staffel das Ruder herum. Löst das Mysterium, welches man am Ende von Staffel 2 mit herübergenommen hat, souverän auf und erzählt eine frische, spannende Geschichte über die Macht der Information, eine unkontrolliert agierende Super-KI, Unterdrückung und Revolution. Damit wildert man zwar in "Mr. Robot"-Gefilden, macht das allerdings in diesen drei Episoden durchweg sehr gut. Zum Finale noch satte Action zwischen den beiden Hauptfiguren (die jedoch um einen Laserschuss zu repetitiv eingesetzt wird) und ein Ausblick auf die schon georderte vierte Ausgabe. Ich bin wieder dabei.

Ach ja, auch wenn diese Staffel nicht mehr so kompliziert-verzwickt angelegt ist wie ihre Vorgängerin: am Stück gucken bringt wieder erhebliche Vorteile für den Sehgenuss.      

GESAMTWERTUNG: 5,39 Punkte (gut)

HOMELAND SEASON 8


Abschied nehmen heißt es von Bipolar-Carrie und Rauschebart-Saul. Ich werde natürlich jetzt nicht spoilern, was mit den beiden am Ende der Serie passiert. Aber ich war dankbar für einen runden Abschluss einer Show, die mich acht Staffeln lang begleitet hat. Beim Kurzeindruck vom April war ich ja noch nicht so recht zufrieden: Schwerpunkt Friede in Afghanistan, unerfahrener Präsident lässt sich von stramm rechten Falken auf die falsche Seite ziehen, Carrie hängt an ihrem russischen Betreuer. Bisschen wenig für das finale Abenteuer unseres CIA-Duos.

Nach dem großen Knall zur Hälfte schippert "Homeland" gekonnt auf der 5,0-Linie, ehe man für die letzten beiden Episoden doch noch die große Drama-Kiste öffnet. Vor allem Sauls persönliche Beziehung zu einer Informantin, die letztlich über Krieg und Frieden entscheidet, hat mich alten Serien-Zausel ehrlich berührt. Denn der Saul, der war für mich immer ein verdammt Guter. Insgesamt sicherlich nicht die beste "Homeland"-Staffel, aber das Ende hat mich eben doch wieder für sich einnehmen können. 

GESAMTWERTUNG: 5,19 Punkte (gut)


RICK & MORTY SEASON 4 


Fast fünf Monate bis zur zweiten Hälfte einer Season warten zu müssen, ist temporal unschön. Da könnte sich Rick Sanchez mal raumzeit-verknotungstechnisch etwas einfallen lassen. Dafür bleibt das Baby von Dan Harmon und Justin Roiland die schlicht verrückteste und liebevollste Sci-Fi-Fantasy-Tribute-Animationsshow im Umkreis von mindestens vier Lichtjahren und fünf Dimensionen.

Was hier an durchgeknallten Ideen verballert und an Filmen weitergesponnen wird, lässt einfach jedes Geek-Herz höher schlagen. Bei der Hälfte der Episoden zog ich die 5,5 Punkte, seien es die Referenzen zu "Edge of Tomorrow", die Dekonstruktion der Heist-Filme wie "Ocean's Twelve", Zeitreise-Paradoxen (mit Terminator-Schlangen-Jazz!), das dramatische Leben und Wirken des gemeinen Facehuggers (nie wieder werde ich die Alien-Filme so unkritisch sehen können) oder die immense Wichtigkeit von falschen Säurebottichen, wenn man gemachte Fehler rückgängig machen möchte. Wobei ich mir sicher bin: Wenn man diese Folgen mehrfach schaut, ergeben sich noch weitere Großartigkeiten.

Ein, zweimal lassen Rick und Morty es schleifen, weshalb es nicht für den Sprung ins "sehr gut" reicht. Aber die Qualität der Show bleibt bestechend hoch.

GESAMTWERTUNG: 5,40 Punkte (gut+)


THE GOLDBERGS SEASON 7 



Jetzt müssen wir alle sehr, sehr tapfer sein, die wir die 80er Jahre noch tief im Herzen tragen. Nicht nur, dass dieses beste alle Jahrzehnte seit 30 Jahren vorüber ist (*schock*): "The Goldbergs" landen im verflixten siebten Jahr nur noch im befriedigend! Ich erwarte demnächst eine vor Wut dampfende Beverly Goldberg vor meiner Haustür, um die Wertung neu zu verhandeln...

Schon zur fünften Staffel lagen wir unter den 5 Punkten, aber da konnte ich bei 4,99 noch aufrunden. Diesmal aber landet die Show deutlich drunter. Der Grund: Die größten Highlights aus den 80ern in Sachen Musik, Film oder Kleidungsstil sind von unserer liebsten Familie bereits abgearbeitet, erlebt oder durchlitten worden, viele Episoden benutzen daher schon kaum bis gar keine Aufhänger aus diesen Kategorien mehr, sondern erzählen einfach, was Adam, Barry, Erica, Beverly und Murray mal passiert ist. Das ist immer noch unterhaltsam, kommt allerdings nicht mehr an die früheren Erlebnisse heran. Und selbst wenn man der herrlichen Episode "The Beverly Goldberg Cookbook" aus der Vorgängerstaffel nun einen zweiten Teil spendiert, verblasst diese demgegenüber eben doch spürbar. Immerhin gibt es in der schon festgezurrten achten Staffel die Möglichkeit, die Scharte wieder auszuwetzen.

GESAMTWERTUNG: 4,79 Punkte (befriedigend)

BROOKLYN NINE-NINE SEASON 7



Wie man in der siebten Season immer noch konstant die Lacher amtlich abliefert, zeigen Jake Peralta und seine Truppe. Nimmermüde im Einsatz für Recht und Ordnung bzw. peinlich, aber charmant (name of my porn tape). Zwar gönnt man sich in letzter Zeit gerne mal eine Folge aus der Humorkategorie "naja" (S7E06 - Trying), der Rest allerdings ist durchgehend gut mit ein paar Sprüngen nach oben. Die obligatorische 6,0-Prädikats-Episode verpasst B99 dieses Mal bei mir, aber vom Auftakt über "The Jimmy Jab Games II" (so geht das mit der Fortsetzung, liebe Goldbergs), "Valloweaster" oder das gelungene Finale waren allerdings einige Folgen schon dicht daran. 

GESAMTWERTUNG: 5,24 Punkte (gut) 

MODERN FAMILY SEASON 11


Weshalb nach zehn erfolgreichen Staffeln aufhören, wenn man es auch nach elf tun kann? Diese gewichtige Frage stellten sich die Beteiligten bei "Modern Family" und legten noch eine weitere Spielzeit mit den Dunphys, Pritchetts, Delgados und Tuckers auf.

Was der einst alles überragenden Comedy bei mir leider den schlechtesten Wertungsschnitt ihrer Geschichte einbrachte. Das liest sich jetzt dramatischer als es ist, denn "Modern Family" taucht vom Unterhaltungswert her nicht ab bis kurz vor der Unanschaubarkeit wie einst "Two And A Half Man" oder "The Big Bang Theory", um mal zwei weitere Shows zu nennen, die über eine Dekade lang liefen.

Allerdings läuft die eine traditionell gesponserte Episode (diesmal: S11E13: Paris) wie üblich unterhalb des gewohnten Qualitätslevels, dazu gesellten sich zwei weitere nur durchschnittliche Kandidaten, in denen man das schauspielerische "Können" eines David Beckham erfahren oder den verzweifelten Versuch eines gestandenen Comedians wie Stephen Merchant, gegen ein einfallsloses Drehbuch anzuspielen, erleben konnte.

Der Rest lief unter dem Motto: Nicht schlecht, aber alles halt schon mal besser gesehen. Nur eine einzelne Episode (S11E02: Snapped) konnte aus meiner Sicht an frühere Zeiten anknüpfen. Das Finale? Ging bei mir als 4,5 Punkte durch. Elf Jahre im Business nötigen Respekt ab: der Beginn schlicht überragend, die zweite Staffel sehr gut, S3-S5 gut, ab Season 6 im befriedigend, das Finale nun noch okay. Es wurde Zeit, Abschied zu nehmen.

GESAMTWERTUNG: 4,63 Punkte (befriedigend)

MAN WITH A PLAN SEASON 4


Das war's mit der Auszeit als Familienvater und Handwerker mit sympathischer Plautze, unser guter alter "Joey" muss sich eine neue Beschäftigung suchen. Denn "Man With A Plan" gehört zu den Shows, die nicht verlängert wurden. Jetzt mögen einige sagen, dass dies kein großer Verlust sei, mich hat die Serie allerdings nie enttäuscht und immer unterhalten. Klar, neue Comedyszenarien brauchte man nicht zu erwarten, wenn selbst der Vasektomie-Klassiker mal aufgeführt wurde. Nicht frisch, aber eben handwerklich einwandfrei.

Stets stabil lag man zwischen 4,5 und 5,0 Punkten, einen Ausrutscher nach unten gab es einfach nicht. Das ist meiner Meinung nach auch eine durchaus zu würdigende Leistung in Sachen Kontinuität. Dass dieses Jahr die 4,5er in der Überzahl sind, ist dann auch der auf 13 Episoden verkürzten Laufzeit geschuldet.

GESAMTWERTUNG: 4,73 Punkte (befriedigend)

Kommentare

  1. Ach, was für ein schöner Rundumschlag. Das erinnert mich schmerzlich daran, dass ich "The Goldbergs", "Brooklyn Nine-Nine" und "Modern Family" irgendwann auch weiterschauen wollte. Vielleicht lohnt sich dafür irgendwann doch mal Netflix. Aber momentan bin ich ja noch dank deines Tipps mit "The Good Place" gut ausgelastet. ;)

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  2. Bei "Modern Family" hast du glaube ich das Beste (sprich: die ersten vier bis fünf Staffeln) schon gesehen, für den Rest bietet sich in der Tat eher der Stream an.
    Ich bin derzeit auch gar nicht mal so sehr betrübt, dass es in Sachen Serien und Film wegen Corona mal eine Ruhephase gibt, da ich auch noch genügend Kram nachzuarbeiten haben. "Dune" will ich aber gegen Ende des Jahres schön im Kino gucken können!

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