Seriencheck (119)

Heda und ha! Ihr dachtet sicherlich, dass der neue Seriencheck wegen der Coronavirus-Pandemie erheblich verspätet kommen würde. Okay, ein bisschen über dem Zeitplan der zweimonatigen Erscheinungsweise liegt er schon. Aber nur, weil ich mich von der letzten Episode "Picard" erholen und nach dieser neuen Netflix-Doku erst mal wieder meine Worte finden musste.

CURB YOUR ENTHUSIASM SEASON 10


Larry David tut gut in diesen Zeiten. Denn er beschäftigt sich mit den wirklich unwichtigen Dingen, für die wir aktuell keine Kraft mehr haben. Wie etwa Konkurrenzgeschäftsgründungen aus schierem Trotz, wackelnden Cafè-Tischen, Zugangsbeschränkungen zu den Toiletten von Rechtsberatern, ungenügendem Lob, Tischreservierung nach Attraktivität oder Gefahren, die von dem zu großen Gemächt eines frisch umoperierten Geschlechtswechslers ausgehen.

Für die ersten beiden neuen Folgen hätte ich dem alten Zausel vor Dankbarkeit fast den goldenen Schlüssel zu meiner WC-Schüssel gegeben, so sehr haben diese mir Spaß gemacht. Danach pendelte es sich auf gutem Niveau ein, ehe gegen Ende so ein bisschen die Luft ausgeht. Der Humor des "Seinfeld"-Machers funktioniert für mich nun einmal am besten, wenn die Hinführungen zur Katastrophe nicht zu gekünstelt wirken und da sind wir eben wieder beim großen Gemächt, das ein Chaos auslöst, siehe oben.

Am Ende steht nach 10 Episoden aber die Bewertung, dass die aktuelle Staffel absolut stabil gut abgeliefert hat und Larry David bitte weitere Folgen nachreichen sollte. Alleine aus der Coronakrise ließen sich doch wunderbare Momente destillieren, wie etwa die Frage, ob unser Protagonist die Ausgangssperre umgehen und nachts in fremder Leute Edelpissoirs einbrechen würde, weil zuhause das Klopapier fehlt. Mach es, Larry!

GESAMTWERTUNG: 5,20 Punkte (gut)

PICARD SEASON 1


Direkt der nächste ältere Herr mit Glatze, diesmal allerdings distinguiert und in komplett anderem Setting. Und leider, leider, auch mit weitaus weniger Spaß- und Unterhaltungspotenzial. Dass ich Sir Patrick Stewart absolut in Ehren halte, habe ich ja bereits im Kurzeindruck des letzten Serienchecks erwähnt. An ihm hat es auch nicht gelegen, dass mich "Picard" letzten Endes enttäuscht zurückgelassen hat.

Schuld war schon eher, dass die Serie zunächst einmal ewig braucht, bis sie aus dem Quark bzw. unser Captain an Bord seines Schiffes kommt. Dass man eine komplette Folge mit der Einführung eines Charakters füllt, der fortan als reiner Stichwortgeber und Kurzeinsatzkämpfer zu Gange ist. Oder dass mir Alison Pill als quiekig-nervöse Wissenschaftlerin Dr. Jurati mit fortschreitender Dauer nur noch auf die Nerven gefallen ist. Gefreut habe ich mich auf der anderen Seite über die Gastauftritte alter Star Trek: Next Generation-Alumni, auch von der Voyager sollte es Besuch geben.

Von der neuen Crew wiederum gefiel mir Schiffchef Rios am besten, auch Raffi erspielte sich mit der Zeit mein Wohlwollen. Dahj/Soji hingegen blieb mir angesichts ihrer tragenden Rolle zu blass und für das romulanische Geschwisterpaar aus Spitzohr-Emoboy und harscher "ICH ÜBERNEHM' GLEICH!"-Schwester hatte ich rasch nur leichten Spott übrig. Putzigerweise mochte ich die Episode "Stardust City Rag", die mit so ziemlich allem, was Star Trek ausmacht, den Boden aufwischte, noch am ehesten. Ansonsten lief es auf ein "Okay, aber mit erheblichem Verbesserungspotenzial" hinaus.

Bis mich der zweite Teil des Finales traf. Ein Finale, welches - das muss man so hart sagen - für mich stellenweise wie eine Parodie wirkte. Der härteste Wirkungstreffer: Da wird von den Autoren ein Wunderstab herbeigezaubert, der die Figuren aus ihrer Bredouille befreit. Weil er mithilfe von WÜNSCHEN funktioniert! WÜNSCHE! Früher haben sich für diesen Moment die freakigsten unter den  Schreiberlingen noch mehrere Absätze an Technobabble aus den Fingern gesogen. Jetzt heißt es: "Wünsch dir was, glaub' fest daran, schon springt das Raumschiff wieder an".

"Was passiert da?" 
"Nichts, was Sinn ergibt" 
schreibt man danach als Dialog den handelnden Charakteren ins Drehbuch.
Beim Pubertätspickel von Lt. Worf, euch hat man doch in den Warpantrieb gefurzt! Geht's noch?

Es folgt Wunderstab-Einsatz Nummer 2 (warum auch nicht?), noch schnell die Tapete des Weltalls mit romulanischen Kampfschiffen vollgepflastert, Riker darf den Dicken markieren, Picard hält eine vor Diplomatie und Weisheit strotzende Rede und dann... mehr will ich nicht verraten. Nur soviel: Gepackt hat mich nichts davon, ich saß wie erstarrt in der berühmten Picardschen Facepalm-Pose verharrend auf der Couch. Meine Wertung für diesen Abschluss? Erschreckend verdiente 3,0 Punkte und der Gedanke, ob ich wegen dieses Fiaskos noch in der Gesamtwertung Abzüge vornehmen sollte. Das habe ich letztlich sein lassen, aber gefühlt ist die erste Staffel "Picard" bei mir eher in der Schublade mit der Wertung "bestenfalls noch durchschnittlich" eingeordnet.

GESAMTWERTUNG: 4,60 Punkte (befriedigend -)

AVENUE 5 SEASON 1


Ich bin geneigt, in den Entschuldigungsmodus zu verfallen, denn es wird nicht besser. Ehrlich gesagt eher noch schlimmer. Denn "Avenue 5", die neue Serie des Veep-Masterminds Armando Iannucci, erleidet derart Comedy-Schiffbruch, dass man neben dem geflügelten Wort vom "Schuss in den Ofen" gleich noch den "Schuss in den Orbit" einführen müsste.

Umringt von einem Ring aus Scheiße und toten Menschen zieht die Avenue 5 ihre Kreise fernab der Erde. Das ist jetzt keine böswillige Kritik, sondern passiert so in der Serie. Die Show um den stets bemühten, aber an den Gags des Drehbuchs scheiternden Hugh Laurie (Dr. House) landete bei mir dermaßen viele 4,0-Wertungen, dass ich bei anderen Comedyformaten schon längst ausgestiegen wäre. Hier blieb ich dran und wurde nicht wirklich belohnt. Lediglich die Folge "This is physically hurting me" konnte mich für sich vereinnahmen, weil man als Zuschauer hier wunderbar die Dummheit informationsresistenter Menschen vorgeführt bekam, was als Parabel auf heutige Zeiten, in der Wissenschaft angezweifelt und spinnerten Theorien gefolgt wird, bestens funktionierte.

Den Rest muss man sich nicht wirklich antun. Es sei denn, man verspürt Freunde daran, Witze im luftleeren Raum geräuschlos implodieren zu sehen.

GESAMTWERTUNG: 4,33 Punkte (durchschnittlich)

THE OUTSIDER SEASON 1


Von Stephen Kings "The Outsider" hatte ich mir richtig viel erhofft. Denn vor allem der Season Opener und die beiden Episoden danach schlugen ordentlich rein. Die Geschichte um den Coach Terry Maitland (Jason Bateman, "Arrested Development"), der eines furchtbaren Verbrechens beschuldigt wird und gegen den alle Beweise sprechen, hatte das Potenzial, ein kraftvolles Bild aus Tod, Trauer, Verzweiflung, Paranoia und Hass zu zeichnen. Spannend inszeniert, packend dargestellt und mit Wendungen, die einen auf der Couch mitbibbern ließen. Bis so ab der Mitte der übernatürliche Schleier gelüftet wird.

Und da beginnt das Problem. Denn das hinter allem steckende Übel erweist sich als... wie soll ich es sagen... Stellt euch vor, ihr lest einen Thriller von Sebastian Fitzek und stoßt auf folgenden Absatz:

"Kommissar Brandner rang um Atem, als er endlich verstand, wer hinter allem steckte. Wer Schuld daran trug, dass sein Leben die reinste Hölle geworden war. Welches Monster er von nun unerbittlich jagen musste und sollte er dabei auch den Tod finden.
Es war... der böse Watz."

Danach fiel von mir doch einiges an Spannung ab. "The Outsider" rettet sich zwar noch einigermaßen ordentlich ins Ziel, was zu einem guten Teil an den schauspielerischen Leistungen von Ben Mendelsohn ("Star Wars: Rogue One"), Bill Camp ("Joker") oder Marc Menchaca ("Ozark") lag. Aber den Makel des Unspektakulären trug die Show fortan und das leider bis hin zum Finale. Ich mag es, wenn zum Schluss nochmal die Keule herausgeholt und Richtung Solar Plexus des Zuschauers geschwungen wird, was hier allerdings nicht der Fall sein sollte.

Am Ende reicht es bei mir so knapp nicht ins "gut". Fans von Meister King dürfen gerne ein paar Pünktchen drauflegen.  

GESAMTWERTUNG: 4,90 Punkte (befriedigend)


TIGER KING: MURDER, MAYHEM AND MADNESS SEASON 1



Na, heute schon den Glauben an die Menschheit verloren? Oder vom Physio täglich horizontales Headbanging à 45 Minuten zwecks Nackenmuskellockerung verordnet bekommen? Zu wenig fremdgeschämt in letzter Zeit oder gar noch kleine Hoffnungszuckungen für Amerika gehegt? Dann ist die neue Netflix-Doku "Tiger King" genau das Richtige.

Inhaltlich geht es zu Beginn um die Rivalität zwischen zwei Großkatzensammlern und Privatzoobesitzern namens Joe Exotic und Carole Baskin. Später erweitert sich die Angelegenheit um weitere Individuen, denen folgendes gemeinsam ist: Alle wirken so, als würden sie dem Pool an abgelehnten, weil zu übertrieben gezeichneten Charakteren aus GTA 5 entstammen, haben gewaltig einen an der Waffel und Dachschäden in einem Ausmaß, dass man eigentlich gar nicht mehr von einem zusammenhängenden Dach sprechen sollte. Wem dies alles nur ein achselzuckendes "Was soll mich der Quatsch interessieren?" entlockt, darf sich als immun bezeichnen und froh sein Leben weiterführen.

Der Rest hingegen verfolgt wie ich gebannt einen riesenhaft grotesken Unfall in punkto Moral, Verstand und Umgangsformen in Zeitlupe, Dauerschleife und mit immer übler werdenden Auswirkungen. Alleine Joe Exotic ist so dermaßen drüber, dass es mit menschlichen Maßstäben nicht mehr zu erfassen ist. Ich kann mit Tieren wirklich nicht groß etwas anfangen, aber selbst mir haben die Viecher leid getan, die dieser Typ in seinem Zoo ausstellt und ausbeutet. Von seinen Mitarbeitern ganz zu schweigen.

Das ist schlimm, furchtbar, aber auch sehr unterhaltsam. Soviel muss man sich eingestehen. Andererseits wirkt demgegenüber das eigene Leben plötzlich geordnet, vorzeigefähig und anständig. Immerhin bekommen zum Ende ein paar der Protagonisten ihr Fett weg, weshalb man das Dranbleiben noch rechtfertigend einorden kann. Von mir eine klare Guckempfehlung gerade in diesen Zeiten, wo man Beruhigung in noch kaputteren Lebensumständen findet. Sorge bereitet mir allerdings der Gedanke, dass die so in ihrer Verderbtheit ausgeleuchteten und präsentierten Knallchargen mit diesem Vehikel irgendwie irgendwann das große Geld verdienen.

GESAMTWERTUNG: 5,61 PUNKTE (sehr gut)

WESTWORLD SEASON 2


Pünktlich zum Start der dritten Staffel habe ich es tatsächlich geschafft, die zweite Season von "Westworld" nachzuholen. Den ersten Versuch musste ich seinerzeit abbrechen, weil die Show mit ihren Vor- und Rückblenden, den vielen Figuren synthetischer oder menschlicher Gattung sowie den zwei zeitlich versetzten Handlungssträngen um Bernard mir zu komplex wurde, um im Dickicht der wöchentlichen Inhaltszufuhr an anderen TV-Shows den Überblick zu behalten. Wer nicht eine Woche warten, sondern direkt alles in einem Rutsch schauen konnte, sollte hier klare Vorteile haben.

Bei konzentrierter Sichtung erweist sich auch die Fortsetzung als sehr gelungenes SciFi-Spektakel. Die insgesamt zehn Episoden werden zwar durch ein, zwei Füllerfolgen gestreckt und wertungsmäßig habe ich in der Mehrzahl die 5,0 statt der 5,5 gezückt; dafür entpuppt sich das Lüften des Geheimnisses um den von der Delos-Company verfolgten Zweck als eindringliches Erlebnis (bei den Szenen mit Peter Mullan als James Delos etwa hatte ich konstant Gänsehaut). Im Finale schließlich wird einiges aufgefahren, ordentlich aufgeräumt und die Saat für den dritten Teil der Saga ausgelegt. Insgesamt einen halben Wertungspunkt schwächer als der fulminante Auftakt, aber weitaus besser als von den amerikanischen Zuschauern aufgenommen.

GESAMTWERTUNG: 5,40 PUNKTE (gut+)

Zum Schluss noch ein paar Kurzeindrücke:

Westworld Season 3

Neues Setting, neue Welten, neue Figuren (u.a. Aaron Paul und Vincent Cassel), optisch knallen die Zukunftsdesignentwürfe ordentlich auf die Netzhaut. Allerdings kämpft die Show bei mir mit den Nachwehen des letzten Finales, die damit einhergehenden Auswirkungen erschweren es dem Zuschauer, eine Bindung zu den Figuren zu erschaffen. Gut möglich, dass demnächst die tollen Bilder nicht länger ausreichen, wenn es inhaltlich fehlzündet.

The Plot Against America

Neue Miniserie von David Simon ("The Wire", "Show Me A Hero"), die sich der Frage stellt: Was wäre passiert, wenn 1940 der Nazi-Deutschland gegenüber sympathisierende Flugpionier Charles Lindbergh den US-Präsidenten gestellt hätte?
Nichts Gutes, würde ich meinen wollen. Ich erwarte mir eine spannende, emotionale Serie abseits des immer plumper gewordenen "The Man in the High Castle" oder des mir zu abschreckend comichaften "Hunters". Nach zwei Folgen sieht es gut aus, der Plot verdichtet sich, das Drama breitet sich aus.

Better Call Saul Season 5

Ich muss wieder die alte Leier anstimmen. Alle Handlungsstränge um Kim Wexler und Mesa Verde langweilen mich wieder nur. Mike Ehrmantraut schiebt man kurzzeitig gar ins Abseits. Hoffentlich nimmt der Gangsteransteil um Fring, Nacho und Lalo demnächst zu, sonst landet die Show nur im "befriedigend".

Homeland Season 8

Fährt mir - trotz eines gut inszenierten Knallers - für die finale Staffel bisher zu wenig auf. Schwerpunkt Friede in Afghanistan, unerfahrener Präsident lässt sich auf die falsche Seite ziehen, Carrie hängt an ihrem russischen Betreuer. Bisher nach der Hälfte nur knapp im "gut".

Kommentare

  1. Oh, das freut mich sehr, dass dir die zweite Staffel von "Westworld" doch noch gefallen hat. Ich fand sie auch viel besser als ihren Ruf. Und nun habe ich Lust auf Larry David. Weiß man schon, ob danach noch eine Staffel kommt? Wenn nicht wäre das ein guter Anlass mal bei den DVDs zuzugreifen.

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  2. Da sind wir in Sachen Westworld S2 ja einer Meinung. War doch viel Schönes drin. Ich bin gespannt, wie die dritte Season abschneiden wird, rein von den Zuschauern her läuft die bisher ja eher mäßig.

    Und Meister David lässt sich natürlich wieder bitten und nicht in die Karten schauen. HBO gibt ihm mit Sicherheit einen Sendeplatz. Ob wir aber nach dem doch scharf kritisierten Ende von "Seinfeld" jemals ein offizielles Finale von "Curb" sehen werde, wage ich zu bezweifeln.

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