CD des Monats: BIFFY CLYRO - Opposites

Ein im rechten Winkel abgespreizter, unbelaubter Baum, an dem Knochen hängen. In einer steppenartigen Landschaft. Links oben drei Vögel. Textzeilen im Stil von: "Das Leben hört sich immer noch wie Ballons an. Du kaust und du kaust und kaust. Deine Zähne zerbröseln zu Boden. Dort ist es, wo sie liegen, dort ist es, wo sie liegen (Sounds Like Balloons)". Vertrackter Songaufbau, verschwurbelte Strukturen. Und dann auch noch ein Doppelalbum. Ein scheinbar klarer Fall: keine Musik für mich. Eher was für Hipster-Kids von Kommunikations- und Werbemanagement-Eltern, die derlei im Musikunterricht mit zurückgeschobener Intellektuellen-Brille von hellgrau gefärbtem Vinyl abspielen, während mein verkeimter Sprössling im Jason-Kostüm mit Eishockeymaske und Plastikmachete zu Alice Coopers "He's Back (The Man Behind The Mask)" herumhampelt.

Biffy Clyro aus dem schottischen Kilmarnock mögen musikalisch nicht oft den geraden Weg Richtung Bauch und Ohr gehen, ihr Name mag teilweise an eine kleine verpunkte Version eines bekannten Badewannensprays erinnern, aber: die Burschen können rocken. Wissen, wie man hymnenhafte Songs bastelt. Bauen Refrains, bei denen man die Anlage gerne eine Stufe lauter stellt. Und bekommen sogar Balladen hin, ohne dass es kitschig wird. Im Zweifel kleben sie wie im Falle von "The Fog" einfach knapp eine Minute Noise von steigernder Intensität dran, um Fans von Snow Patrol abzuschrecken. Zwei Mal zehn Songs umfasst "Opposites", unterteilt in die Themen "The Sand At The Core of Our Bones" und "The Land at The End of Our Toes". Was das genau zu bedeuten hat, mögen Menschen für sich erschließen, die gerade an einer Bildinterpretation des Albumcovers arbeiten (Hinweis: bitte das Ergebnis nicht an mich schicken, danke!).

Nun sind 20 Tracks eine ganze Menge, aber dennoch finde ich keinen ernsthaften Kandidaten, dem ich das neckische Siegel "Füllmaterial" aufdrücken könnte. Alle Lieder haben etwas, an das man sich gerne erinnert, zu dem man gerne wieder zurückkommt. Sei es die Orgel, die wirbelnde Gitarre und der abgehackte Gesang im Opener "Different People", die Mariachi-Band in "Spanish Radio", der auf die Spitze getriebene Orchesterorgasmus in "Biblical", die draufhauende Eröffnung und der Dudelsack in "Stingin' Belle", das schunkelige Ende von "Woo Woo", das "Drip Drip Drip" und der mitreißende Refrain von "Black Chandelier" oder die zwei ohrwurmigen Bassnoten in "Accident Without Emergency". Alles getragen von der angenehmen, nicht mal ansatzweise näsig-nöligen Stimme (und die geht mir bei vielen anderen Bands auf den Zeiger) des Sängers Simon Neil.

Fazit:
Seit den besten Zeiten von And You Will Know Us By The Trail Of Dead hatte ich nicht mehr so viel Spaß mit einer CD der Spielart Indie / Progressive Rock. Ein Doppelalbum vollgepackt mit gelungenen Songs von einer Band mit Gespür für Stimmungen, Melodien und Refrains. 

Kommentare

  1. Also ich weiss nicht. Ich hoere das Album gerade auf Spotify und es klingt eben doch sehr kitschig-bombasistisch. Den Vergleich mit Snow Patrol erhoehe ich um Three Doors Down. Gefaellt mir bisher so gar nicht.

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  2. Alles Geschmackssache, meine Liebe. Bombastisch finde ich immer gut, Kitsch konnte ich jetzt nicht ausmachen (da fallen bei mir eher die letzten 30 Seconds to Mars-Alben drunter). Aber mir hat ja auch die vorletzte CD von den Killers gefallen. Ich bin da manchmal seltsam.

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