CD des Monats: NIGHTWISH - Endless Forms Most Beautiful
"Willkommen zum Treffen der A.S.M.S.H., der Anonymen-Symphonic-Metal-Sinnlos-Hochjubler. Bitte gebt eure Handys am Eingang ab, denn normalerweise wird dieser Raum von den A.S.M.S.H., den Anonymen-SMS-Hetzern, verwendet. Falls ihr Kurznachrichten wie "ey, ihr scheiß pseudometal-kitschköppe, geht kacken" oder "AUF DEN WEIDEN, AUF DEN AUEN, WART' ICH DRAUF UM EUCH ZU HAUEN" erhalten habt, einfach löschen und nicht drüber nachdenken. Danke.
So, liebe Freunde, jetzt ist also ein neues Symphonic Metal-Album rausgekommen und eines unserer Mitglieder möchte dazu glaube ich etwas sagen. Nimm dir den Dirigentenstab der Worterteilung vom Tisch und lass uns teilhaben!"
"Ja, Cello zusammen und Grüß Fagott. Mein Name ist Inishmore und ich höre seit 1997 Nightwish".
[Anerkennendes Raunen]
"Ich bin der Band treu geblieben, selbst als sie Tarja Turunen ersetzt haben, fand die damalige Nachfolgerin Anette Olzon nicht schlecht, war auf mehreren Konzerten, kaufte mir weiterhin alle Alben und.... [trockenes Schlucken] habe in meinem Blog die letzten beiden Studiowerke jeweils zur CD des Monats gewählt".
[Kopfschütteln, Ts...ts...ts...-Gewispere]
"Diesmal wollte ich stärker sein. Habe nicht groß in das vorherige Projekt "The Life And Times Of Scrooge" von Kreativkopf Tuomas Holopainen reingehört. Die erste Single von "Endless Forms Most Beautiful" namens "Élan" fand ich auch wirklich so eher lauwarm. Wieder nur Einheits-Geschrubbe für Emppu und kein gescheites Solo, dazu seichtes Folkgedudel ohne Pepp. Nett, aber halt wirklich nicht mehr".
[Aufmunternder "Richtig, aber sowas von!-"Zwischenruf. "Und für den Gesang bei der Nummer hätten die doch echt keine Neue gebraucht"]
"Ein paar Tage später veröffentlichten Nightwish online den Opener "Shudder Before The Beautiful". Was soll ich sagen? Ich mochte es. Erinnerte mich an "Dark Chest Of Wonders" von der "Once" und im Mittelteil an "Master Passion Greed" von der "Dark Passion Play". Herzlich rumpeliges Geriffe, majestätisches Orchester, einprägsamer Refrain, ein tolles Gitarre-Keyboard-Duell und kurz darauf feinstes Symphonic Headbanging Feeling.
[Leise zustimmendes Murmeln, untermischt von "Ja, aber man kennt's halt irgendwie schon"-Bekundungen]
"Der Eindruck reichte mir aus, um dem neuen Album eine Chance zu geben. Es kam, wie es kommen musste: Direkt am Erscheinungstag orderte ich bei amazon die MP3-Fassung."
[Ohnmachtsanfall einer jungen Frau im schulterfreien schwarzen Rüschenkleid und CD-&-TARJA-FOREVER-Herztattoo an der Schläfe]
"Freitag Abends am Rechner reingehört. Erster Eindruck: Geht ja ganz gut ab bei "Weak Fantasy","Yours Is An Empty Hope" und dem Titeltrack. Obwohl man bei den Riffs schon ein wenig schablonenhaft vorgeht. Das kracht hübsch, aber wieso darf nicht mal bei einem härteren Song die Gitarre nicht ganz so stumpf die Melodie begleiten oder sie gar selbst mal tragen? Man wird den Gedanken nicht los, das alles schon mal gehört zu haben. Die Texte? Oh mei. Freunde, ich kann eigentlich Englisch, aber fragt mich nicht, von was die da singen. Lausche der Geschichte der Osterglocke, Kathedrale des Grüns, hohle Stimme, Ruine mit einem Dach. Wo die Goldlöckchen-Zone sein soll, möchte ich vielleicht gar nicht wissen und der Walden aus "My Walden" steht nicht mal in meinem Langenscheidt Taschenwörterbuch. Erwartet daher nicht, dass ich die Lyrics lerne, um mitsingen zu können. Davon ab: Das Potenzial von Floor Jansen am Mikro wird mir auch nicht recht genutzt. Okay, der etwas rauere Gesang bei "Yours Is An Empty Hope" hat was. Aber sonst? Außer zu Beginn des episch langen Rausschmeißers "The Greatest Show on Earth" kommt nichts Klassisches in dem Bereich. A propos: 24 Minuten dauert das Stück! Wobei nicht gerade durchgepowert wird von Anfang bis Ende. Viel Filmmusik-Kulisse, Donner und Geröll, Sprechparts vom Evolutionsbiologen Richard Dawkins, Tiergeräusche. Als hätte Stanley Kubrick posthum zum Orchesterleiter umgeschult und den Anfang von "2001" als Hörbuch vertont. Ambitioniert, aber auch ein wenig übertrieben. Und einen habe ich noch: Das Instrumental "The Eyes Of Sharbat Gula" ist ziemlich ereignislos an mir vorbeigesäuselt!"
[Applaus. "Du schaffst es, Bruder! Weiter so!"-Anfeuerungsrufe]
"Okay. Samstag Morgen. Zweiter Versuch. Ohne Blick ins Textbooklet. Kommt besser. Dafür mit Kopfhörer und ordentlich aufgedrehter Lautstärke. Ist ja doch was Schönes, wenn so ein klassisches Ensemble reinhaut. Die elektrisch verstärkte Sechssaitige zum wilden Riffritt ansetzt. Das können die Nachtwunschler einfach. Hey, bei "Our Decades In The Sun", "Alpenglow" und "Edema Ruh" setzt die Gitarre in Sachen Melodieführung sowas wie Akzente. Gefällt. Im folkigen "My Walden" bleibt die Akustikklampfe-Pfeifen-Fiedel-Kombo angenehm im Ohr hängen und überstrahlt den etwas zu sehr nach von Michael Flatley fallen gelassen klingenden Refrain. Überhaupt ist in jedem Song eine Passage, ein Arrangement, eine Melodie, bei der man als Fan zufrieden gestimmt wird. Selbst wenn man eigentlich meckern möchte. Unter diesem Eindruck hat "Élan" vielleicht doch versteckte Stärken. Und "The Greatest Show On Earth" muss man wegen seiner fehlenden Kompaktheit halt auf sich wirken lassen. Werde ich wohl nochmal genauer reinhören. Obwohl ich mir am Wochenende "Bloodborne" geholt habe und mich eigentlich damit beschäftigen wollte".
[Stille. Durchbrochen von einem Schrei aus der hinteren Stuhlreihe: "Verdammt, wir haben ihn verloren!"]
"Insgesamt sicherlich kein perfektes Werk. Dennoch geht an Nightwish im Symphonic Metal Bereich einfach nichts vorbei. Wenn man wie ich auch eine kleine Schwäche für folkige Weisen hat, ordnet sich "Endless Forms Most Beautiful" qualitätsmäßig in eine Reihe mit den Vorgängern ein. Massiv revolutionäre Umbrüche im und um den Orchestergraben sollte man halt nicht erwarten, um nicht ansonsten leicht enttäuscht zu sein. Weil der März aber so gut wie vorbei ist und es in den Wochen dieses Jahres bisher noch gar keinen Award gab, reicht es erneut zum Album des Monats."
[Stille]
"Okay. Unser Bruder Inishmore hat es versucht, das sollten wir anerkennen. Akzeptieren wir seine Wertung. Immerhin hat er nichts sinnlos hochgejubelt, was schon mal ein Fortschritt ist. Abschließend möchte ich um eine kleine Spende für einen unserer Brüder bitten, der beim wiederholten Versuch, seine Oboe in Eigenbau unter Strom zu setzen, ordentlich einen gebrutzelt bekommen hat und seit Tagen nur noch Harfenklänge hören kann."
[Stühle quietschen, schnelle Schritte nach draußen, der Saal leert sich. Stille]
So, liebe Freunde, jetzt ist also ein neues Symphonic Metal-Album rausgekommen und eines unserer Mitglieder möchte dazu glaube ich etwas sagen. Nimm dir den Dirigentenstab der Worterteilung vom Tisch und lass uns teilhaben!"
"Ja, Cello zusammen und Grüß Fagott. Mein Name ist Inishmore und ich höre seit 1997 Nightwish".
[Anerkennendes Raunen]
"Ich bin der Band treu geblieben, selbst als sie Tarja Turunen ersetzt haben, fand die damalige Nachfolgerin Anette Olzon nicht schlecht, war auf mehreren Konzerten, kaufte mir weiterhin alle Alben und.... [trockenes Schlucken] habe in meinem Blog die letzten beiden Studiowerke jeweils zur CD des Monats gewählt".
[Kopfschütteln, Ts...ts...ts...-Gewispere]
"Diesmal wollte ich stärker sein. Habe nicht groß in das vorherige Projekt "The Life And Times Of Scrooge" von Kreativkopf Tuomas Holopainen reingehört. Die erste Single von "Endless Forms Most Beautiful" namens "Élan" fand ich auch wirklich so eher lauwarm. Wieder nur Einheits-Geschrubbe für Emppu und kein gescheites Solo, dazu seichtes Folkgedudel ohne Pepp. Nett, aber halt wirklich nicht mehr".
[Aufmunternder "Richtig, aber sowas von!-"Zwischenruf. "Und für den Gesang bei der Nummer hätten die doch echt keine Neue gebraucht"]
"Ein paar Tage später veröffentlichten Nightwish online den Opener "Shudder Before The Beautiful". Was soll ich sagen? Ich mochte es. Erinnerte mich an "Dark Chest Of Wonders" von der "Once" und im Mittelteil an "Master Passion Greed" von der "Dark Passion Play". Herzlich rumpeliges Geriffe, majestätisches Orchester, einprägsamer Refrain, ein tolles Gitarre-Keyboard-Duell und kurz darauf feinstes Symphonic Headbanging Feeling.
[Leise zustimmendes Murmeln, untermischt von "Ja, aber man kennt's halt irgendwie schon"-Bekundungen]
"Der Eindruck reichte mir aus, um dem neuen Album eine Chance zu geben. Es kam, wie es kommen musste: Direkt am Erscheinungstag orderte ich bei amazon die MP3-Fassung."
[Ohnmachtsanfall einer jungen Frau im schulterfreien schwarzen Rüschenkleid und CD-&-TARJA-FOREVER-Herztattoo an der Schläfe]
"Freitag Abends am Rechner reingehört. Erster Eindruck: Geht ja ganz gut ab bei "Weak Fantasy","Yours Is An Empty Hope" und dem Titeltrack. Obwohl man bei den Riffs schon ein wenig schablonenhaft vorgeht. Das kracht hübsch, aber wieso darf nicht mal bei einem härteren Song die Gitarre nicht ganz so stumpf die Melodie begleiten oder sie gar selbst mal tragen? Man wird den Gedanken nicht los, das alles schon mal gehört zu haben. Die Texte? Oh mei. Freunde, ich kann eigentlich Englisch, aber fragt mich nicht, von was die da singen. Lausche der Geschichte der Osterglocke, Kathedrale des Grüns, hohle Stimme, Ruine mit einem Dach. Wo die Goldlöckchen-Zone sein soll, möchte ich vielleicht gar nicht wissen und der Walden aus "My Walden" steht nicht mal in meinem Langenscheidt Taschenwörterbuch. Erwartet daher nicht, dass ich die Lyrics lerne, um mitsingen zu können. Davon ab: Das Potenzial von Floor Jansen am Mikro wird mir auch nicht recht genutzt. Okay, der etwas rauere Gesang bei "Yours Is An Empty Hope" hat was. Aber sonst? Außer zu Beginn des episch langen Rausschmeißers "The Greatest Show on Earth" kommt nichts Klassisches in dem Bereich. A propos: 24 Minuten dauert das Stück! Wobei nicht gerade durchgepowert wird von Anfang bis Ende. Viel Filmmusik-Kulisse, Donner und Geröll, Sprechparts vom Evolutionsbiologen Richard Dawkins, Tiergeräusche. Als hätte Stanley Kubrick posthum zum Orchesterleiter umgeschult und den Anfang von "2001" als Hörbuch vertont. Ambitioniert, aber auch ein wenig übertrieben. Und einen habe ich noch: Das Instrumental "The Eyes Of Sharbat Gula" ist ziemlich ereignislos an mir vorbeigesäuselt!"
[Applaus. "Du schaffst es, Bruder! Weiter so!"-Anfeuerungsrufe]
"Okay. Samstag Morgen. Zweiter Versuch. Ohne Blick ins Textbooklet. Kommt besser. Dafür mit Kopfhörer und ordentlich aufgedrehter Lautstärke. Ist ja doch was Schönes, wenn so ein klassisches Ensemble reinhaut. Die elektrisch verstärkte Sechssaitige zum wilden Riffritt ansetzt. Das können die Nachtwunschler einfach. Hey, bei "Our Decades In The Sun", "Alpenglow" und "Edema Ruh" setzt die Gitarre in Sachen Melodieführung sowas wie Akzente. Gefällt. Im folkigen "My Walden" bleibt die Akustikklampfe-Pfeifen-Fiedel-Kombo angenehm im Ohr hängen und überstrahlt den etwas zu sehr nach von Michael Flatley fallen gelassen klingenden Refrain. Überhaupt ist in jedem Song eine Passage, ein Arrangement, eine Melodie, bei der man als Fan zufrieden gestimmt wird. Selbst wenn man eigentlich meckern möchte. Unter diesem Eindruck hat "Élan" vielleicht doch versteckte Stärken. Und "The Greatest Show On Earth" muss man wegen seiner fehlenden Kompaktheit halt auf sich wirken lassen. Werde ich wohl nochmal genauer reinhören. Obwohl ich mir am Wochenende "Bloodborne" geholt habe und mich eigentlich damit beschäftigen wollte".
[Stille. Durchbrochen von einem Schrei aus der hinteren Stuhlreihe: "Verdammt, wir haben ihn verloren!"]
"Insgesamt sicherlich kein perfektes Werk. Dennoch geht an Nightwish im Symphonic Metal Bereich einfach nichts vorbei. Wenn man wie ich auch eine kleine Schwäche für folkige Weisen hat, ordnet sich "Endless Forms Most Beautiful" qualitätsmäßig in eine Reihe mit den Vorgängern ein. Massiv revolutionäre Umbrüche im und um den Orchestergraben sollte man halt nicht erwarten, um nicht ansonsten leicht enttäuscht zu sein. Weil der März aber so gut wie vorbei ist und es in den Wochen dieses Jahres bisher noch gar keinen Award gab, reicht es erneut zum Album des Monats."
[Stille]
"Okay. Unser Bruder Inishmore hat es versucht, das sollten wir anerkennen. Akzeptieren wir seine Wertung. Immerhin hat er nichts sinnlos hochgejubelt, was schon mal ein Fortschritt ist. Abschließend möchte ich um eine kleine Spende für einen unserer Brüder bitten, der beim wiederholten Versuch, seine Oboe in Eigenbau unter Strom zu setzen, ordentlich einen gebrutzelt bekommen hat und seit Tagen nur noch Harfenklänge hören kann."
[Stühle quietschen, schnelle Schritte nach draußen, der Saal leert sich. Stille]
Kommentare
Kommentar veröffentlichen