Das Wort zum EM-Spieltag #18: Spanien - Deutschland 2:1 (n.V.)

SPANIEN - DEUTSCHLAND 2:1 (n.V.)

"Papa, wie schlägt man denn die Spanier?", wollte der Junge wissen.
"Junge, du bist 36 Jahre und Bundestrainer, da musst du selbst draufkommen. Und hör auf, mich Papa zu nennen, ich bin dein Sportdirektor, aber nicht mehr!", antwortete der Alte etwas unwirsch.

"Du warst doch dabei, als wir die Spanier das letzte Mal bei einem Turnier besiegt haben. Und hast beide Treffer erzielt!"

"Das ist doch schon Ewigkeiten her, Jule. 1988, da hast du ja hauptsächlich die Verantwortung dafür getragen, die Windelvorräte im Hause Nagelsmann zu dezimieren. Klar, wir hatten auch Heim-EM, aber damals war alles anders. Internet gab's nicht, die DDR dafür noch und wenn du dir etwa billiges Gelöt aus China gönnen wolltest, musstest du selbst hinfahren, weil der PEARL-Katalog erst Jahre später auf den Markt kommen sollte! 

Wir hatten keine Namen auf unseren Trikots stehen, mitgemacht haben gerade mal 8(!) Mannschaften, ein Sieg brachte 2(!) Punkte, der Sowjetrusse(!) war der heißeste Scheiß beim Kicken und es war das dritte Spiel der Vorrunde, da hatte eh keiner mehr große Lust. Bei uns im Tor stand Eike Immel, genau, der vom Dschungelcamp, ich und Onkel Klinsi vorne, Herget, Kohler, Brehme, Wuttke kam rein, ach Mann, der Andi und der Wutti, sind ja nun auch nicht mehr unter uns. Auf der anderen Seite Zubizarreta im Kasten und vorne der schöne Butrageno, aber wenn der die Nähe von Uli Borowkas behaarten Beinen gespürt hat, ist der direkt vier Schritte zurückgedribbelt"

"Und deine Tore?"

"Hätten die Abwehrspieler von heute locker weggeatmet. Damals gaben die noch brav Geleit und haben dir nicht unerbittlich sämtliche Körperteile entgegengeworfen."

Es brachte nichts. Der Bundestrainer musste selbst eine Taktik finden, um die scheinbar übermächtigen Spanier aus dem Turnier zu befördern. So lud er zum großen Brainstorming im Konferenzraum der Trainingsanlage. Wie immer ganz vorne mit dabei, wenn es um waghalsige Ideen ging: Thomas Müller.

"Trainer, gib mir ein Megafon und wenn dieser Yamal oder dieser Williams über die Seite durchzubrechen drohen, sprinte ich an der Außenlinie hinterher und bringe sie mit meinen bajuwarisch-ausländischen Gaudi-Sprüchen ins Schlingern. Ola Amigo, not so fast, Burschi, we have hier eine inner city Geschwindigkeitsbegrenzung, hoast mi? German Police is coming, tatütataa, Jugendknast not good, not funny. In der Praxis allerdings war der 34-jährige Hallodri nicht mehr schnell genug unterwegs, um den Schall zielsicher ins Ohr der jungen spanischen Lauser zu tragen. Sein Antrag beim DFB-Justiziar, ihm ein Pferd, ein Lasso (für absolute Notfälle) und als Galoppierhymne natürlich "I bin a bayrisches Cowgirl" von Nicki zur Seite zu stellen, wurde mit den Worten "NEHMT IHR DROGEN???" abschlägig beschieden.

"Rückpässe auf Unai Simon erzwingen", warf Antonio Rüdiger ein. "Vielleicht rollt ihm wie 2021 gegen Kroatien einer ins eigene Netz. Überhaupt zaubert der mit dem Ball am Fuß mal gerne unerwartet Unschönes für seine Mannschaft". Interessanter Ansatz, meinte Nagelsmann, aber als Matchplan möglicherweise etwas arg dünn.

"Männer", ergriff Toni Kroos schließlich das Wort, "Ich habe es doch schon vor dem Spiel gegen die Schweiz gesagt: Re-Branding ist der Schlüssel. Also re-branden wir 2008. Wie hat der Spanier uns damals geschlagen?"

"War das nicht der Puyol per Kopf? Ich lass mir aber nicht die Pudelfrisur von dem machen, Toni!" ruft Niclas Füllkrug entrüstet.

"Nein, Fülle, das war 2010, WM, ganz andere Veranstaltung. 2008 war Torres, der nach einem wunderbaren Flachpass in die Spitze schneller am Ball war als Lehmann und einnetzte. Das macht bei uns der Musiala oder der Sané, der Pass kommt selbstverständlich von moi, le monsieur d'élégance du football. Also keine Panik, ihr Fröschlein! Das ist der Plan und meine Pläne sind immer erfolgreich. Das EM-Tagebuch wird im Anschluss schreiben: "Toni Kroos ist der Hannibal Smith des A-Teams des deutschen Fußballs" und wie üblich dürfte keiner die Anspielung verstehen."

Und genau so, denke ich, wird das kommen.

⚽️⚽️⚽️⚽️⚽️

Fußball ist ein Ergebnissport. Heute wünschte ich mir, dass es nicht so wäre. Dass die hochkarätigen Chancen, der Pfostentreffer, das Zurückkommen nach Rückstand, das Momentum danach für die deutsche Elf, der eine Ball aufs Netz von Havertz nach dem misslungenen Abstoß von Unai Simon, der nicht gegebene Handelfmeter, irgendwie dieses verdammte 2:1 kurz vor Ende der Verlängerung noch egalisiert hätten. 

Der Spanier kopiert einfach dreist die Tore von Gündogan gegen Ungarn und von Füllkrug gegen die Schweiz. An beiden beteiligt: Olmo von RB Leipzig. Der wird nicht mehr mein Lieblingsspieler, das ist für den jungen Mann schon der zweite Malus.

Zu Beginn hauptsächlich junge Fußballmillionäre auf gepflegtem deutschen Rasen. Danach eine ausgeglichene Partie mit zwei guten Chancen durch Havertz. Wir waren schon in der ersten Hälfte auf Augenhöhe, konnten sogar mehr gespielte Pässe verbuchen. Der Schock durch den spanischen Führungstreffer machte die DFB-Elf noch stärker im Spiel nach vorne. Tolle Aktionen, die ich bereits oben beschrieben habe. Der späte Ausgleich war höchst verdient, eigentlich fast schon zu wenig.

In der Verlängerung drückt die Nagelsmann-Elf weiter, Cucurella blockt einen Schuss von Musiala klar mit dem Arm. Der Schiri schaut es sich nicht einmal an. Weil der Arm zwar nicht angelegt, aber auf dem Weg zurück dorthin war? Ach komm. Diese Handspielregel ist einfach nur Kappes. Füllkrug prüft Simon per Kopf, alles war bereit für das Elfmeterschießen. Bis Merino eine Flanke von Olmo einköpfte. Dass Füllkrug mit der allerletzten Chance mit einem Kopfball knapp am Tor vorbeizielt, passt ins Bild eines dramatisch unglücklichen Abends.

Ich möchte schließen mit den Worten von Nicolas Anelka an seinen Trainer Domenech bei der WM 2010, diesmal aber gerichtet an den Fußball (die deutsche Übersetzung habe ich bei Abpfiff mehrfach Richtung Fernseher geschrien):

Va te faire enculer, football.


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