IniClassics: Neue Herausforderungen für Männer des 21. Jahrhunderts

[Ich bin in letzter Zeit eher blogfaul. Vor allem verfasse ich keine längeren Texte mehr. Hängt wahrscheinlich damit zusammen, dass ich meine aufgestauten Schreibanfälle in den unfassbar kompetenzfreien WM- und EM-Tagebüchern entlade. Hier ein Text aus der guten alten Zeit, genauer gesagt vom 26. August 2008]

Gar mannigfaltig sind die Herausforderungen an einen Mann der Neuzeit.
Früher hieß es: 1) Haus bauen, 2) Familie gründen, 3) Bäumchen pflanzen.
Alles dick eingerührter Papperlapapp, halte ich dem unwirsch entgegen!

ad 1)
Ein Haus hab ich schon; das bedürfte zwar der Renovierung, vor allem die Fassade schmiegt sich nicht mehr an das Auge des Betrachters, sondern lässt es angesichts ihrer Brücheligkeit leise vor sich hin tränen. Was aber kein Grund ist, das vor gerade mal hundertnochwas Jahren mühsam errichtete Bauwerk dem Erdboden gleichzumachen und neu aufzubauen. Geschichte will schließlich auch aufgearbeitet und nicht niedergerissen werden und so halte ich es denn auch mit Fassaden.

ad 2)
Familiengründungen haben keine Eile. Sagt mir meine jahrzehntelange Erfahrung in der aktiven Nichtfamiliengründung. Wer erst mit 60 ein neues Leben in die Welt setzt, hat viele Vorteile: zwanzig Jahre draufgerechnet ist das Kind im besten pflegefähigen, man selbst im besten pflegebedürftigen Alter. 5 Jahre vorher konnte man schon wegen einsetzender Gebrechlichkeit den vom Sprosse initiierten Besuch eines die Musikgeschmacksknospen ausdörrenden und somit schlechthin gesundheitsgefährdenden Tokio Hotel Revival-Konzerts absagen. Und zuguterletzt ist es doch die nahende Aussicht auf eine zünftige Erbschaft, die junge Menschen auf den richtigen Weg hin zu elterlicher Respektzollung, demütiger Anbiederung und devoter Wunscherfüllung geleiten.

ad 3)
Bäume habe ich ebenfalls. Passenderweise im Garten. Obwohl ich jüngst tragischerdings eines bereits vom Blitzschlag niedergestreckten Kirschbaums verlustig gegangen bin. Als ich vor ein paar Wochen zur monatlichen Rasenentgrasung ansetzen wollte, bemerkte ich, dass irgendwelches ungezügeltes Jungvolk ganz hinten auf meinem Grundstück campiert, unsinnigerweise eine Holzleiter in die Landschaft gestellt und oben erwähnten Kirschbaum abgesägt hatte. Seitdem schreite ich dreimal pro Woche mit schwarzer Arbeitskappe, schwarzem Hemd und schwarzer Schaffhose das Hoheitsgebiet ab und setze einen gar finsteren Gesichtsausdruck dabei auf. Leider hat sich noch niemand gefunden, der mir die Worte "GARTENKONTROLLE!" auf mein Outfit des Schreckens stickt. Zum Ausgleich dieses fehlenden Autoritätszeichens schreie ich anlasslos tief hängende Äste an, schlage aggressiv auf wucherndes Brennesselgewächs ein oder stehe mit hinter dem Rücken verschränkten Armen mitten auf dem Felde und rufe ein die Gesamtgartensituation tadelndes "Wie sieht das denn hier wieder aus?" den verschreckten Nachbarskindern entgegen. Möge ich hierdurch vor weiteren Akten der Grünbestandschändung gefeit sein.

Die richtigen Herausforderungen liegen fürwahr auf anderem Gebiet. Beispielsweise auf jenem der Fledermausvertreibung. Am vergangenen Samstag Abend gegen 19:45 Uhr torkelte eine verwirrte Jungfledermaus durch mein Dachzimmer. Mögliche Einflugschneisen waren ein geöffnetes Fenster und eine geöffnete Tür nach unten. Nun hatte ich doch just vor Wochen eine Fledermausbekämpfungsdokumentation aus Hollywood namens The Dark Knight gesehen, aber wo bitte kriegt man zur besten Wochenendzeit ein mundvernarbtes Clownsgesicht her, das die Geliebten und Geachteten des Eindringlings in Todesgefahr bringt, Geiseln nimmt und Chaos sät, auf dass der Flatterich am Ende zermürbt in die Dunkelheit entfleuche? Immerhin darf ich mich nun in die Riege der überkritischen Filmbegutachter einreihen und einen richtig schnuckelig sinnentleerten Makel an dem jüngsten Batman-Werk finden: "Solide gemachter Actionfilm. Hilft aber nicht im Geringsten bei Problemen mit echten Fledermäusen". Damit liege ich nur eine knappe An-die-Stirn-klatsch-Breite hinter "Das ständige Geschmatze des Jokers hat mir den ganzen Film verleidet", will ich meinen.

Wer seine Kritik überhaupt so ansetzt, dem traue ich auch zu, dass er bei einer Invasion durch Außerirdische nebst Kompletterdbodenneugestaltung aus den Trümmern seiner Behausung steigt und dem Raumschiff einen Zettel mit der Aufschrift "Naja. Hatte ich mir beeindruckender vorgestellt. Mit Bedenken noch 2 von 5 Welteroberungsstilpunkten" um die Landebeine wickelt.

Doch zurück ins Dachzimmer. Ohne unseren Schöpfer beleidigen wollen, aber bei der freiheitssuchenden Wegfindungsroutine dieser Viecher hat jemand ganz böse geschlampt. Entspannt drehte das geflügelte Ärgernis seine Runden und achtete nicht auf den immer verdrossener werdenden Zuschauer, der mahnend den Weg Richtung geöffnetes Fenster wies. Langsam erinnerte ich mich an wohlverschüttete Wissensbröckchen rundum das gemeine Flatterwesen: Sieht kaum was, hört sehr gut, fliegt mit Echolot an Bord. In meiner Verzweiflung ob der unabänderlichen Kreisbewegung um mich herum stellte ich mich vors offene Fenster. Und pfiff. Selten kam ich mir in meinem Leben so dämlich vor.

Einmal, so entsinne ich mich, stand ich vor einer Rolltreppe, obwohl ich meinte, schon drauf zu stehen. Verwirrt ob der nicht stattfindenden Aufwärtsbewegung trat ich zurück und meinte zu einem hinter mir wartenden Rolltreppennutzungsaspiranten: "Komisch, das Ding funktioniert nicht". Insofern liegt das Anpfeifen von Fenstern zwecks Weglocken von Fledertieren nur auf Platz 2 meiner Peinlichkeitsliste, aber immerhin.

Später ergriff ich noch eine Tischdecke und warf sie unmotiviert in die Flugbahn des befellten Piloten, aber das entlockte diesem nur ein gleichgültiges Flügelzucken. Um 20 Uhr schließlich kam ich auf die Lösung: ich öffnete das zweite Fenster, schaltete den Fernseher ein und guckte die Tagesschau. Wenige Minuten später war mein nicht geladener Gast von dannen geflogen. Diese Lehren möchte ich anderen Flatterichgeplagten in Gegenwart und Zukunft hiermit herzlichst zukommen lassen:

Fledermaus im Haus kriegt man hinaus mit allen Fenstern offen, Tagesschau schauen und Hoffen.

Kommentare

  1. Vorbildlich, werter Herr Inishmore! So werden Sie (mindestens) 109. Yopi Heesters hätte das mit der Fledermaus auch nicht besser gemacht!

    Chapeau claque
    Ihr Schoss

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  2. Mit 109 lass ich es krachen, werter Herr Schoss. Und dann lege ich aus reiner Boshaftigkeit noch 50 Jährchen drauf.

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