Das unfassbar kompetenzfreie WM-Tagebuch (XXII)

GER - ITA

(12:00 Uhr)
- Das Spiel hat noch nicht begonnen und schon schlägt mir der blanke Hass entgegen.

Nicht etwa von meinem Stammitaliener, sondern den teutonischen Freunden und Bekannten. Ich muss mir anhören:

"Deine blöden FIFA-Juristenkollegen haben uns den Frings weggesperrt".
Nein, der darf nur nicht mitspielen. Außerhalb des Platzes ist er ein freier Mann.

"Der ist doch von den Argentiniern provoziert worden".
Bestimmt, aber trotzdem darf er nicht hauen.

"Der hat nicht gehauen, das war nur ein Schutzreflex"
Sicher, ich strecke auch immer die Faust von mir, um mich zu schützen.

"Diese Italiener müssen ja eine Riesenangst vor uns haben. Nur weil die bei der EM 2004 auch einen Spieler nachträglich gesperrt bekamen, meinen die jetzt, sich bei uns einmischen zu müssen".
An dieser Stelle kehrt wieder Friede, Freude und Konsens ein. Denn der Totti hatte 2004 den Poulsen angespuckt. Und Poulsen ist ein Schalker, die Vereinszugehörigkeit also ein strafschärfendes Tatbestandsmerkmal. Da sind wir uns einig, sowas ist ein ganz besonders schlimmes Vergehen und mit Sperren allein eigentlich nicht wieder gut zu machen.

Schließlich sind wir überzeugt: die Deutschen hauen die Italiener jetzt erst recht weg.

- Deutschland gegen Italien bei einer WM. Da habe ich noch eine Jugendsünde zu beichten. Es war 1982, der erste Schultag nach dem Endspiel, das die Italiener bekanntlich mit 3:1 für sich entscheiden konnten. Unser Lehrer saß vorne am Pult und meinte sinngemäß: "tja, die Italiener feiern jetzt wohl noch, aber für uns ist wieder Alltag". Aus den hinteren Bankreihen raunt es "Elende [derbe Umschreibung für Menschen, die hastig ein italienisches Nationalgericht verschlingen], elende".

Stille.

"WER HAT DAS GESAGT?", schallt es von vorne.

Schweigen. Der Übeltäter sollte unerkannt und unermittelt bleiben.

Jetzt, 24 Jahre später, kann ich es ja gestehen. Lieber Herr Pfister, falls Sie das lesen: ich war's. Das Wort hatte mir übrigens mein Bruder beigebracht und war mächtig stolz darauf. Ich dachte mir, ich mache jetzt vor dem Halbfinale mal besser reinen Tisch, damit mir der Fußballgott nicht zürnt. Als Dank erwarte ich nur, dass der Buffon heute mal einen Ball reinlässt. Und der Lehmann wie gewohnt keinen.

Kommentare

  1. Otto Pfister etwa? :-)

    Hoffentlich bringt das Geständnis was. Sonst kann es ja sein, dass Herr Pfister das liest und Deutschland verliert, und dann war alles für die Katz...

    AntwortenLöschen
  2. Ich schäme mich ja so, aber ich kann mich nach 24 Jahren nicht mehr an den Vornamen meines Lehrers erinnern.

    Wo bleiben eigentlich die Bilder deiner Fußballgottopfergabe?

    AntwortenLöschen
  3. Elende Spaghettifresser!

    Da steh ich jetzt zu.

    AntwortenLöschen
  4. Wenn ich die IP-Adresse von diesem Fußballgott herausfinde, kriegt der was von mir zu hören

    ;-)

    AntwortenLöschen

Kommentar veröffentlichen

Beliebte Posts aus diesem Blog

Professionelle Absagenhandhabung

Der charmante TV-Serien-Diskussionsthread

Ausgezeichnet