Review: PAIN/NIGHTWISH, Rockhal, Esch-sur-Alzette

Dieser Eintrag handelt von einer schwedischen Industrialband, finnischem Symphonic Metal und dem unerklärlichen Mangel an luxemburgischen Tankstellen rundum das Veranstaltungsgebiet. Am vergangenen Ostersamstag fuhr ich also nach Esch-sur-Alzette, um mir von PAIN und Nightwish meine vom grippalen Kopfschmerz pochenden Ohren durchpusten zu lassen.

Die Rockhal selbst liegt in einem Industriegebiet namens Belval etwa 4 Kilometer außerhalb von Esch und fasst 6500 stehende Menschen. Neumodischen Firlefanz wie Sitzplätze oder Logen hatte es bei dem von mir besuchten Konzert nicht. Dafür vor der Halle sehr nettes Personal, welches einem für einen Obulus von 2 Euro einen Parkplatz zuwies. Ich kam pünktlich zum Einlass um 19:00 Uhr an und war erfreut, kein Parkchaos vorzufinden. Nach einem fünfminütigen Fußmarsch vorbei an reizvoll verdreckter luxemburgischer Industriearchitektur dauerte es eine halbe Stunde, ehe mir ein Kartenabreißer auf mein "Hallo" ein "Einen schönen Abend wünsche ich" entgegenraunte. Mein charmant rumpelndes Französisch sollte ich erst später in der Nacht brauchen.

Von der Band PAIN um Mastermind Peter Tägtgren kannte ich natürlich ein paar Songs. Leider eben nur ein paar, was mich im weiteren Verlauf schwer ärgern sollte. Denn die Jungs fabrizierten einen mächtig formidablen Krach auf der Bühne und ich konnte bis auf "Nailed To The Ground" und "Shut Your Mouth" keinen Text mitschreien, sondern angesichts der urwüchsigen Power nur mein Haupt demütig schütteln.

Wenn sich mir ein Lied an diesem Abend eingeprägt hat, dann der Opener "Same Old Song": ein Elektrosoundmischmasch, das Keyboardzitat von "Shut Your Mouth" bringt die ersten Fans in Wallung, dann der russische Chor, der Bass röhrt auf, die Drums spielen einen Wirbel, das erste Riff, der Refrain und schließlich -wummmms- verarbeitet die Halsmuskulatur nur noch die Richtungen unten oder oben in abwechselnder Reihenfolge. Siehe auch den folgenden Clip eines Auftritts in Stockholm:


(Livequalitätseinschätzungsclip #1: Same Old Song, Stockholm 2007)


Nach dreißig Minuten war der Spaß leider schon vorbei; nach meinem Gusto hätte die schwedische Kombo gerne noch ein paar Minuten draufpacken können. Vom Publikum gab es deutlich mehr als den üblichen Vorbandhöflichkeitsapplaus; wild herumgesprungen wurde allerdings auch nur in den vorderen Reihen beim Rausschmeißer "Shut Your Mouth" - überhaupt waren die Luxemburger die beiden kompletten Shows über eher zahme Konzertbesucher,was mir in meiner angeschlagenen Verfassung eigentlich recht zu Pass kam. Fazit: live hauen die Burschen noch eine Spur saftiger rein als im Studio. Also Herrschaften, bitte demnächst eine Live-CD einhämmern.

Nach der Umbaupause wurde es eng. An meinem Platz etwa 4 Meter halblinks von der Bühne setzte es schon Körperkontakt von allen Seiten, wenn ich nur die Arme von der Hüfte Richtung Dachhalle ausfuhr. Insgesamt optimale Verbreitungsbedingungen für meine Grippeviren!

Nightwish betraten nach einem Instrumentalintro aus "The Passion of the Christ" die Bühne und begannen die Show mit "Bye Bye Beautiful"- ein etwas seltsamer Einstieg. Die von der letzten Tournee bekannte Eröffnungsnummer "Dark Chest of Wonders" folgte auf dem Fuße; die neue Sängerin Anette Olzon durfte sich damit an einem Song versuchen, den die Anwesenden noch mit der Opernstimme von Tarja Turunen im Ohr hatten. Natürlich hörte sich das Ganze mit den eher poppigen Vocals der Schwedin anders an. Aber ich für meinen Teil konnte das akzeptieren. Vor allem hat mich beeindruckt, wie die Dame sich an den hohen Stellen das Seelchen aus dem Leib schrie und deswegen am Ende des Songs einmal tief durchpusten musste. That's rock'n'roll, baby! Puristen werden darüber sicher die Nase rümpfen, aber die sollten eh wohl besser zuhause bleiben und die alten CDs oder DVDs einlegen.

Die Band war in bester Spiellaune, Frontfrau Olzon animierte sympathisch das Publikum und versuchte sich an ein paar frankophilen Wortbrocken, nachdem sie vorher nachgefragt hatte, ob man hier Französisch oder doch alle Sprachen spräche. Die Setlist umfasste im Anschluss hauptsächlich Tracks aus dem aktuellen Output "Dark Passion Play", ergänzt durch "Sacrament of Wilderness", "The Siren", "Nemo" und die Schlussnummern "Wishmaster" und "Wish I Had An Angel", die nach den zuerst deutschen Zugabe-Rufen serviert wurden.


(Livequalitätseinschätzungsclip #2: The Islander, Joensuu, 2007)

90 Minuten sind leider weiterhin ein bisserl zu wenig, auch wenn man als Fan seinen Spaß daran hatte. Damit hat sich die Spielzeit trotz neuer Sängerin mit weniger schonungsbedürftiger Stimme nicht gerade gesteigert. Effektmäßig ließ der Veranstaltungsort zudem relativ wenig zu: Konfettiregen am Ende und blutrote Papierschlangen während der Fallbeilsequenz in "The Poet & The Pendulum". Ein paar zusätzliche Songs, gerne auch einen Coversong wie früher "Symphony of Destruction" wären schon nett gewesen. Die Instrumentalabteilung war zuvor mit "The Last of The Wilds" bereits abgearbeitet worden.

Auf YouTube wurden bis dato 11 Videos von dem Konzert eingestellt. Qualitätsmäßig ist das hier noch das Beste:



Gegen 22:50 Uhr verließ ich insgesamt zufrieden den Saal. Man spürt, wie die Band einfach lockerer drauf ist und sich untereinander versteht. Nach dem Split mit Frau Turunen hätte sie es sich einfach machen und sich auflösen können. Aber die musikalischen Ideen von Tuomas Holopainen sind einfach zu genial, als dass sie sang- und klanglos verschwinden dürften.

Zum Schluss noch die Tankstellen-Anekdote: als vorbildlicher Deutscher mit Wissen um luxemburgische Benzinpreise hatte ich pflichtbewusst kaum noch einen Tropfen Sprit im Tank, als ich mich auf den Rückweg machte. Erstaunlicherweise sah ich jedoch weit und breit keine Tankstelle und durfte fortan mit bangem Blick auf die Tankuhr durch die Gegend zuckeln. An einem Shop'n'Go hielt ich erleichtert an, doch zusammen mit einem Einheimischen durfte ich feststellen, dass keine der Zapfsäulen funktionierte. "Il ne marche pas." sagte der junge Kerl. "Pas du tout!" klagte ich in europäischer Einigkeit als Antwort zurück. In Deutschland unvorstellbar!

Nach weiterem benzinsparendem Herumgetuckere ortete ich in Esch-West schließlich eine Esso-Tankstelle, an der man allerdings nur mittels Plastikgeld am Automaten bezahlen konnte. Auch dort streikten mehrere Zapfsäulen, nur zwei gaben ihren Inhalt ordnungsgemäß her. Ein Luxemburger erklärte mir netterweise die Vorgehensweise. Kaum war der Mann weg, hielt eine junge Dame an, die sich verzweifelt umschaute und mir gegenüber mühevoll ein "Excusez-moi" und danach eine lange Pause hervorbrachte. Ich fragte: "Parlez-vous anglais ou allemand?", was hinsichtlich der letzteren Alternative Kopfnicken zur Folge hatte. "Klasse, dann können wir ja Deutsch reden" setzte ich zur Antwort an - selten sah ich größere Erleichterung in den Augen einer Frau. Später durfte ich diese kleine Show dann noch mit einem Mittzwanziger aufführen. Und so trafen sich letzten Endes drei euphorisiert Benzin einfüllende Deutsche nachts in Luxemburg an einer Tankstelle. Ein Bild, über das viele Escher bestimmt herzlich gelacht hätten.

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