Tales Of Monkey Island Episode 1: Launch Of The Screaming Narwhal



Guybrush Threepwood, seines Zeichens und Irrglaubens mächtiger Pirat, entert nach fast 9 Jahren der Abstinenz wieder die Bildschirme. Die Vorgeschichte zur ersten von insgesamt fünf Episoden beginnt dort, wo üblicherweise ein Monkey Island-Abenteuer endet: nämlich mit einem Duell gegen den Erzfeind und untoten Piraten LeChuck. Natürlich vermasselt unser Held seinen Auftritt, schenkt seinem Widersacher statt dem endgültigen Ende ein neues Leben, verliert die Kontrolle über seine Hand, versenkt das Schiff seiner Frau und strandet auf einer Insel, von der es kein Entkommen zu geben scheint, weil die dort herrschenden Winde alle Boote am Auslaufen hindern. Das große Ziel von Episode 1: die Flucht von der Insel mithilfe der vor Anker liegenden "Screaming Narwhal".

Über eines sollte man sich beim Kauf im Klaren sein: an die Komplexität und die Spieldauer eines ausgewachsenen Monkey Island-Titels kann Launch of the Screaming Narwhal natürlich nicht herankommen. Nach 3-4 Stunden hat man alle Rätselnüsse geknackt und wird mit einem sauberen Cliffhanger auf die Fortsetzung eingestimmt. Hochgerechnet bedeutet das bei fünf Teilen eine Gesamtspielzeit von 15-20 Stunden, was sich schon viel besser liest. Aber welcher altgediente Enterhakenschwinger kann schon solange warten, bis alle Episoden fertiggestellt sind? Ich dachte kurzzeitig darüber nach, am Wochenende aber war die Versuchung dann doch zu groß.

Beim Rätseldesign haben sich Telltale Games Mühe gegeben, die Lösungen dem Spieler nicht allzu sehr aufzudrängen - zumindest wenn er wie ich die Hinweisfrequenz in den Optionen auf Null gestellt hat, was ich jedem erfahrenen Adventurer empfehle. Dennoch kam ich in einem Rutsch durch, hing eigentlich nur an einer Stelle (Stichwort: Bombe) und war sehr zufrieden, als ich durch Beobachten und Grübeln diese Aufgabe lösen konnte. Der Rest der Puzzles rangiert qualitätsmäßig von "kann man mit Nachdenken zügig draufkommen" bis hin zu "viel zu einfach". Zwar ist es nun möglich, im Inventory Gegenstände miteinander kombinieren, durch das Fehlen der Unterscheidung zwischen "Nehmen", "Benutzen" und "Betrachten" (Guybrush tut auf Maustastendruck immer das Richtige) allerdings lösen sich viel zu viele Probleme von selbst, in dem man einfach alles anklickt, was manipulierbar ist oder alle Gesprächsoptionen auswählt. Trotz der überschaubaren Lokalität einer einzigen Insel mit zwei größeren Bereichen (Dorf mit Strand, Dschungel mit Labyrinth) gibt es einiges zu tun. Von meiner Warte aus bin ich zufrieden, wenn jede Episode weiterhin mindestens eine knifflige Aufgabenstellung für die Veteranen des Genres bietet und der Rest an Rätseln nicht allzu einfach hergeschenkt wird. Da "Launch of the Screaming Narwhal" auch für Einsteiger in die Serie konzipiert ist, lasse ich hinsichtlich mancher zu simpel gestrickten Puzzles noch Milde walten.

Die Atmosphäre mit Sound und Sprachausgabe ist tadellos eingefangen, der Humor stimmt (auch wenn ich gerne mehr schräge Charaktere gesehen hätte), die Story spricht an und dank einiger Referenzen an frühere Titel fühlt sich auch der erfahrene Abenteuerseebär wohl. Die Grafik und die Steuerung dürfte die Fangemeinde hingegen spalten; im Vergleich zum 3D-Vorgänger Monkey Island IV sieht die Optik um einiges besser aus, den Charme der frühen Teile kann sie naturgemäß allerdings nicht erreichen. Ich konnte mich an den Look (Threepwood erinnert mich von Gesicht und Statur her ein wenig an den versofteten Rincewind aus der Scheibenwelt) aber schnell gewöhnen, was auch auf die Steuerung (ich spielte mit den WASD-Tasten zur Fortbewegung und der Maus für die Aktionen) zutrifft. Zugegebenermaßen hatte ich mich zur Einstimmung mit "Escape from Monkey Island" beschäftigt und war dementsprechend gut vorbereitet.

Fazit: ein guter Start in ein neues Abenteuer um den Lieblingspiraten aller Gamer. Telltale Games spielt seine Erfahrungen und Stärken im Designen von Adventure-Episoden aus und versucht hier auch höheren Rätselansprüchen zu genügen, soweit die vereinfachte Benutzeroberfläche dies zulässt. Wer nicht in ewig verklärter Nostalgie zu Monkey Island 1 und 2 verhaftet ist, wird seinen Spaß haben. Sicher dürfte zudem sein, dass es anders noch als bei Sam'n'Max oder Wallace & Gromit diesmal kein verstärktes Örtlichkeiten- und Charakterrecycling geben wird. Ein Grund mehr, sich auf die restlichen vier Teile nebst hoffentlich ansteigendem Schwierigkeitsgrad zu freuen.

Kommentare

  1. Das klingt gut! Sehr gut sogar. Ich habe die ersten beiden Teile geliebt, den dritten fand ich auch noch gut, Teil 4 konnte mich aufgrund der Steuerung dann nicht mehr mitreißen. Es geht doch wirklich nichts über die klassischen Lucas Arts Adventures... *seufz*

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  2. An Teil 4 knacke ich so nebenbei noch herum, die Steuerung ist wirklich grausam und die Grafik hat sich auch nicht sonderlich gut gehalten. Aber Tales of MI kann ich als Adventuresnack fürs Wochenende wirklich empfehlen.

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