Bundesliga, 1. Spieltag - die Prognose

Erst neulich saß ich wieder in einem Raum mit dem roten Kicker-Bundesligasonderheft. Tags zuvor hatte ich stundenlang an der Stecktabelle herumgefingert, weil das der einzige Teil des Hefts ist, den mir mein Bruder guten Gewissens anzuvertrauen vermag.

Will sagen: ich bin bereit für eine wie bei mir nicht anders zu erwartende kaum fundierte Prognose des Auftaktspieltages.

Wolfsburg - Stuttgart

Der Veh ist ja ein Fuchs. Lässt seine Jungs aus Stuttgart im November 2008 gegen Wolfsburg gequirlten Murks spielen, legt bei der anschließenden VW-Produktionsbesichtigungstour seine Visitenkarte aufs Fließband, geht nach seiner Entlassung 6 Monate schön in Urlaub und darf dann den amtierenden Deutschen Meister(TM) trainieren. Im Universum von Lothar Matthäus ist in dem Moment sicher wieder eine Supernova der unfassbaren Ungerechtigkeit ausgebrochen.
Kontrahent Babbel hingegen ist ja aktuell Berufsschüler, weil er die ersten drei Tage der Woche für seinen Trainerschein büffeln muss. Nicht auszuschließen, dass er am Samstag nicht auf der Bank Platz nimmt, sondern reflexartig mit einem Schwamm die Kreidelinien vom Feld wischen will und sich nach Eingreifen des Stadionpersonals bockig mit dem Rücken zum Spielgeschehen auf einen Stuhl an der Eckfahne setzt. Mit einer verzögerten Anstoßzeit ist daher zu rechnen.

Prognose: souveräner Sieg der Wolfsburger, die Neu-Stuttgarter Hleb und Pogrebnyak finden nicht ins Spiel, weil Russisch für Trainer erst Mitte Dezember auf dem Lehrplan der Sportschule Köln steht.


Hertha BSC - Hannover

Da ist er, der Moment, auf den alle Fußballfans warten, die Angst haben, vor lauter Euphorie über den Start in die neue Saison Herz-Kreislaufprobleme zu bekommen. Die Partie Hertha gegen Hannover schafft Abhilfe, denn ganz ehrlich: das will doch keiner sehen. Da ruht die Begeisterung, da lässt man sich beim Runtergehen während des Werbeblocks in der Sportschau ein wenig mehr Zeit, da winkt man ab, wenn man den ersten Torschuss in der 38. Minute verpasst hat, weil: das will doch wirklich keiner sehen.
Hertha hat alles getan, um den Erfolg der Vorsaison nicht mehr vorkommen zu lassen. Vorne sich von Tormaschine Voronin und Berufsunsympath Pantelic getrennt, hinten die Abwehr durch den Verkauf von Simunic aufgelockert.
Hannover hingegen ist immer noch in der ersten Liga und wenn es nach mir ginge, sollten sie den Enke wirklich aus Dankbarkeit zu einem Topverein auf die Torlinie schicken und sodann den Spielbetrieb einstellen. Gerne auch mit einer großen Saisonausschlussfeier, damit es jeder mitbekommt.

Prognose: ein 0:0, das von den Hannover Fans wie ein Sieg gefeiert werden wird. Nachdem sie aufgewacht sind.

Dortmund - 1.FC Köln

Podolski schießt Köln mindestens in die Champions League, wechselt danach zurück zum FC Bayern und erholt sich dort wieder für ein Jahr auf der Ersatzbank. Bis auf die Sache mit der Champions League ein gar nicht mal so unrealistisches Szenario. Aber bleiben wir mit den Füßen auf dem Rasen. Schon in der ersten Partie müssen die Kölner Fans verdutzt erkennen, dass sich Spieler der anderen Mannschaft ihrem Prinzen in den Weg stellen, ihn nur vorbeilassen, wenn er den Ball nicht mitnimmt, ihn gar am göttlichen Torschusse hindern. Aber am nächsten Spieltag wird das sicher ganz anders.
Dortmunds Trainer Kloppo hat ein Ziel: Studio-Experte bei der Fußball-WM 2010 in Südafrika. Denn bei subtropischem Klima fallen die stramm nach vorn gekämmten Haare bekanntlich noch besser ins Gesicht. Bis dahin muss er sich jedoch mit dem Alltag der Bundesliga herumschlagen, locker-lässige Sprüche für den Kerner einüben und sich damit abfinden, dass seine Jungs maximal wieder um den Ruhrgebiets-Cup mitspielen.

Prognose: Poldi schießt kein Tor, Dortmund vielleicht eins oder zwei.

Werder Bremen - Eintracht Frankfurt

Der Diego ist nicht mehr da, im Mittelfeld trabt stattdessen junges Gemüse der Marke Özil und Marin herum. Dabei weiß doch jede Putzfrau: zwei halbe Handtücher ersetzen noch lange keinen brasilianischen Spitzenfeger! Im Sturm sollen Almeida und Sanogo die neuen Heilsbringer sein, was ich mir selbst beim Zusammenreißen all meiner religiösen Gefühle wirklich nicht vorstellen kann.
Doch zum Glück kommen zum Auftakt die Frankfurter, die bei der Auswahl ihres Trainers mein Humorzentrum wahrhaftig getroffen haben: Michael Skibbe. Gut, bei den Erklärungsversuchen im Anschluss an die zahlreichen Niederlagen während der Saison wird ihm sein Dackelblick sicherlich tolle Dienste leisten. Und ja, ich würde es gerne sehen, wie er die den Mannschaftsbus blockierenden Anhänger mit verbalerotisch gesponnener Durchhaltelyrik zu beruhigen trachtet. Fußballerisch jedoch wird das Äppelwoi in der Porzellantasse.

Prognose: der Neu-Frankfurter Maik Franz bekommt eine gelbe Karte, Naldo klumpt einen rein, Schaaf nimmt's gelassen

Mainz 05 - Bayer 04 Leverkusen

Junger Spross gegen alte Gerste. Die Mainzer haben bekanntlich Jörn Andersen gefeuert, weil der nicht mehr mit der Mannschaft sprechen wollte. Da wäre ich gerne beim Training dabei gewesen, vielleicht knallte da noch die gute alte Peitsche, wenn ein Pass in die Hose ging. Jetzt haben sie einen 35-jährigen Jüngling namens Thomas Tuchel inthronisiert, der laut FAZ damals geweint hat, als Jupp Heynckes von Gladbach zu den Bayern wechselte. Ein Emotyp also.
Wenn das der gewiefte Jupp als Bayer-Coach nicht mal schamlos ausnutzt und beim ersten Aufeinandertreffen die Geschichte von seinem toten Wellensittich erzählt. Sofort stocken die Anweisungen des Mainzer Trainers, die Bayerkicker kloppen humor- und mitgefühlslos kurz nach Anpfiff zwei Eier rein und fertig.

Prognose: Sieg von Leverkusen mit mindestens 3 Toren Unterschied. Erster Tabellenführer. Wird aber freilich nicht lange halten.

Nürnberg - Schalke 04

Die Chance, dass Schalke diese Saison Meister wird, ist so wahrscheinlich wie jene von Albert Streit, erst Stammspieler, dann Mittelfeldlenker der Knappen und später Nationalspieler und Kapitän der deutschen Nationalmannschaft bei der WM 2010 zu werden. Stochastiker mögen das genauer ausrechnen und darob verzweifeln.
Überchef Magath hat es sich zur Aufgabe gemacht, das gesamte Spielprinzip umzukrempeln. Statt auf die Fehler des Gegners zu warten, sollen selbst welche gemacht werden. Nein, Entschuldigung, selbst die Initiative ergriffen werden. Was allerdings zu Fehlern führen dürfte, aber das traut dem Felix niemand zu sagen, weil er sich sonst wieder aufregt. Als Kreativspieler haben meine Jungs erneut nur den Rakitic im Angebot. Leider so der Typ von Kicker, der keinen Bock mehr hat, wenn sein schön angeschnibbelter Freistoß nicht gleich ins Tor fällt.
Nürnberg ist aufgestiegen, der Trainer jung und belesen, insgesamt eine sympathische Truppe, was auch darin liegen kann, dass sie den fußballerischen Sauerdrops Cottbus weggelutscht haben. Die Klasse werden sie zu meinem Bedauern aber nicht halten, weil mir unsympathische Clubs immer drin bleiben und irgendwas ja absteigen muss.

Prognose: Unentschieden. Kuranyi springt nach dem Spiel direkt über dem brasilianischen Dschungel ab, um Lincoln zu suchen und von seinem eigenen Geld zu verpflichten. Magath lässt derweil auf dem Trainingsgelände ein kleines Mittelgebirge zum Rauf- und Runterlaufen aufschichten.

Hoffenheim - FC Bayern

Das Samstag Abend-Spiel. Wie toll, wie neu! Wie blöd.
Denn um die Zeit gucke ich Sportschau und kriege deshalb nichts davon mit. Ich wünsche mir daher, dass Reinhold Beckmann am Ende eine Schalte nach Sinsheim organisiert und der ZDF-Sportstudio-Reporter dort einen Satz wie "Das ist hier so kacklangweilig, wir werden für den Zusammenschnitt heute Abend wohl mehrere Zeitlupenaufnahmen von Michael Rensing beim Bälleaufpumpen zeigen müssen" abgibt. Nur damit die sich bei Sky so richtig doll ärgern.
Jeder rechnet damit, dass bei den Bayern noch Sand im Getriebe sein wird und dass die Hoffenheimer nicht mehr so toll drauf sein werden wie in der ersten Hälfte der letzten Saison. Dem stelle ich mich entgegen, beide Teams werden die Spielzeit über voll auftrumpfen. Aber nicht beim ersten Zusammentreffen am Samstag Abend, siehe oben.

Prognose: ein kacklangweiliges 0:0, was denn sonst?

Bochum - Gladbach

Ich mag Gladbach eigentlich ganz gerne, alleine schon wegen Hans Meyer. Weshalb niemand auf die Idee gekommen ist, dem Mann einen Vertrag auf Lebenszeit zu geben, ist mir ein Rätsel. Der hätte nicht mal ins Stadion kommen müssen, sondern auch aus dem Garten zwischen dem Rosenzüchten ein paar erhellende Kommentare abgeben und Journalisten verarschen können:
"Gehen Sie davon aus, dass Sie von gar nichts eine scheiß Ahnung haben, werter BILD-Reporter. Unter Frontzeck wird Gladbach erneut die Champions League verpassen. Und jetzt raus aus meiner Laube!" Frontzeck ist für mich ja auch ein Wunder. Ich wundere mich, wie der einen Job in der Liga bekommen hat, obwohl er mit seiner Gurkentruppe Bielefeld zielsicher eine Ballklasse runtergestürzt ist.
Bochum blieb wie Hannover zu seiner eigenen Überraschung immer noch in der Bundesliga, gab sich aber deutlich mehr Mühe, diesen einer Fahrstuhlmannschaft unzuträglichen Zustand zu ändern. Dieses Jahr, sage ich, schaffen sie es auch. Denn Cottbus, Karlsruhe und Bielefeld können sie nicht mehr daran hindern.

Prognose: Frontzeck spielt bewährt auf Torsicherung und Eigenchancenverhinderung, Koller vertraut auf eingeübte Standardsituationen mit Azaouagh als Kopfballabnehmer. Am Ende fallen Tore und wenn es mich ernsthaft interessieren würde, könnte ich auch sagen, für wen genau. Von mir aus Gladbach.


Freiburg - HSV

Bei Freiburg spielt Du-Ri Cha in der Abwehr, obwohl ich mir sicher bin, dass der in seiner Erstligazeit bei Frankfurt mal Stürmer war. Wahrscheinlich hat Trainer Dutt gemeint, dass eine schön ausgebildete Abschlussschwäche in der Verteidigung am besten aufgehoben ist. Clever. Wenn Bruno Labbadia genausowenig wie ich die 2. Liga verfolgt hat, sind die ersten Zuordnungsprobleme schon sicher. Dann nämlich läuft Boateng dem Südkoreaner dauernd hinterher, fehlt somit in der Abwehr und schwupp, klingelt's im Kasten.
Aber der HSV braucht ja Rückstände, das wissen wir noch aus dem letzten Jahr. Genau so, wie er immer gut anfängt und dann, wenn es um die Wurscht geht, die Einladung zum Grillfest verschlampt und zuhause bleiben muss. Mit bestechender Logik hat man sich demzufolge den Labbadia Bruno ins Boot geholt, der diesen Saisonverlauf letztes Jahr bei Bayer fast so gut hinbekommen hat wie die Hamburger. Wenn es richtig gut klappt, verpassen sie heuer also auch das internationale Geschäft.

Prognose: frühe Führung der Breisgauer, später pumpt Trochowski einen in den Winkel, Petric staubt ab und fertig ist der erste Auswärtssieg.

Kommentare

  1. Schalke 2:1 juchhu

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  2. Da lieg ich gerne mal daneben. Und wie der Felix sich aufgeregt hat, mein Bruder war ganz begeistert. Endlich wieder was los auf der Trainerbank, unter Rutten war das ja Schnuffelhäschenzone.

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