CD des Monats: NIGHTWISH - Dark Passion Play (Special Edition)

So, Freunde des symphonischen Metalls, jetzt mal das Fagott aus dem Verstärker gestöpselt und aufgepasst.

Unsere liebste Opernamsel Tarja Turunen tirilliert von nun an woanders und hat auch wenig überraschenderweise keinen Gastauftritt auf Dark Passion Play. Wer sich darob immer noch ins Puffärmelhemdchen weint, braucht erst gar nicht in die neue Scheibe der Finnen reinzuhören. Denn die neue Dame am Mikrofon sieht nicht nur anders aus, nein - oh Schreck! - auch im gesanglichen Bereich offenbaren sich überdeutliche Unterschiede.

Die restlichen Trademarks von Nightwish sind aber weiterhin vorhanden: mächtig Orchesterwumms, zum Heulen schöne Streicher, einprägsame Songs, obskure Texte, tiefe Gitarrenriffs, kraftvoll gezupfte Basslines, exzellente Drumarbeit und natürlich ein wenig Kitsch.

Als Fan habe ich die Querelen um den Rausschmiss der ehemaligen Sängerin natürlich mitverfolgt. Sicherlich schade, aber wer die lustlos eingespielte Neufassung von "Sleeping Sun" gehört hat, wusste, dass es so nicht weitergehen konnte. Deshalb: lieber ein gesangsstimmlicher Neustart als Augenauskratzaktionen auf offener Bühne.

Vorteile als Hörer hat sicherlich auch, wem schon der letzte Output "Once" gut gefallen hat. Schon dort wurde bekanntermaßen gesanglich nicht mehr so exzessiv geknödelt wie auf den Vorgängern. Ich selbst hätte mir für das neue Werk zwar schon ein paar mehr schmackige Gitarrensoli von Emppu erhofft, doch ist der eben meist damit beschäftigt, seine Riffs durch den orchestralen Klangteppich zu schrubben.

Zum Einstieg setzt es direkt eine fast 14-minütige Hammerkomposition namens "The Poet And The Pendulum", die mit einem jugendlichen Mezzosopran beginnt und ab Minute 1:20 in eine furiose Symphonie-/Gitarrenriffwand mündet. 40 Sekunden später gibt Anette Olzon ihren Einstand. Ich für meinen Teil finde die Stimme sehr angenehm, variabel und vor allem kräftig genug, um sich gegen den alles aufwirbelnden Schalldruck um sie herum durchzusetzen. Verorten kann man sie am ehesten irgendwo zwischen einem der Abba-Mädels und Sharon den Adel. Die Nummer selbst reicht nicht ganz an die Genialität von "Ghost Love Score" heran, bleibt aber nur wenig dahinter zurück. Wer hier nicht bereits an den Ohren gepackt wird, hat den Sound der Band nie richtig liebgewonnen.

Ich gehe jetzt nicht alle der 13 Songs einzeln durch, sondern beschränke mich auf die Highlights und das Wenige, was nicht direkt in den Hörgängen für wohlige Klangdurchspülung sorgt:

"Master Passion Greed" (mit sehr bösem, dem Ehegatten von Tarja gewidmeten Text) ist zu Beginn fast schon Thrash Metal, beeindruckt dann aber durch einen großartigen, von einem Chor getragenen Refrain. "Sahara" robbt nach fröhlichem Keyboard-Intro genial schwerfällig dahin wie eine verdurstende Karawane in der Wüste, "Amaranth" ist fast schon frech einprägsam. Da ich keltischen Klängen ganz und gar nicht abgeneigt bin, stellen die Akustiknummer "The Islander", (die beweist, dass die Jungs und das Mädel auch ganz ohne Pomp fantastische Musik machen können) und das sich anschließende Instrumental "Last Of The Wilds" (welches Erinnerungen an das selige "Moondance" erweckt) für mich kleine Juwelen dar. "7 Days To The Wolves" nimmt in der Mitte erneut die dezenten Folkuntertöne auf, rummst sonst aber episch-gewaltig voran. Mit "Cadence Of Her Last Breath" schlagen Nightwish darüber hinaus Within Temptation souverän auf deren eigenem Terrain.

"For The Heart I Once Had" hingegen ist eine eigentlich sehr schöne Midtempo-Ballade, aber die ersten Takte erinnern mich verdammt nochmal ständig an den Monsun-Song dieser Teenies, deren Namen ich in einem Review zu einer meiner Lieblingsbands nicht nennen möchte. Die meiner Meinung nach schwächste Nummer "Whoever Brings The Night" schließlich bringt als Ausgleich für ihre Durchschnittlichkeit immerhin eines der seltenen Gitarrensoli unter.

Die Special Edition wartet zuguterletzt mit dem kompletten Album in reiner Instrumentalfassung auf. Hier darf man ohne Ablenkung durch den Gesang die 500 000 Euro schwere Produktion mit dem Londoner Philharmonic Orchestra unter der Leitung von Pip Williams genießen. Wer also wirklich nicht mit der neuen Stimme zurechtkommen sollte, muss sich eigentlich wegen dieser Tracks die CD trotzdem kaufen. Eigentlich eine clevere Marketingstrategie.

Kommentare

  1. Mir gefällt die neue Scheibe sehr gut. Die Musik ist und bleibt Nightwish, die Sängerin ist halt was Neues, und bei Gott nichts schlechtes Neues. Von daher: Gut so. :-)

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  2. Das ist die richtige Einstellung. Zumal mir das neue Lied von Frau Turunen jetzt nicht so gefällt. Bin mal gespannt, wie die neue Sängerin die alten Songs interpretiert. Auf YouTube gibt es ja schon Clips von Konzerten, aber die Tonqualität ist zu schwach, um Schlüsse ziehen zu können.

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