Ein Loblied auf die Mittelmäßigkeit

Ich schreibe es wirklich nicht gerne, aber "Schlag den Raab" gestern Abend hat mir stellenweise wirklich gefallen. Das mag auf den ersten Blick schockieren und schreit insofern nach einer eingehenden Begründung. Bin ich doch normalerweise alles andere als ein Fan des TV Total-Moderators.

Jeder von uns hat wohl eine Fernsehleiche im Keller liegen, also eine Sendung, die er guckt, obwohl man eigentlich die Augenbrauen darüber hochziehen müsste. Bei einem Bekannten von mir ist es z.B. "Upps, die Pannenshow" - aus irgendeinem Grund siegt bei ihm immer die Schadenfreude über das eigentlich peinliche und durchgenudelte Konzept. Ich selbst bin gegen diese Sendung Gott sei Dank immun, dafür hat es mich eben bei der aktuellen Raab-Show erwischt. Der Grund hierfür liegt allerdings weniger beim Herausgeforderten als vielmehr bei den Kandidaten.

Kurz zum Konzept der gestrigen Sendung: ein Kandidat/eine Kandidatin tritt gegen Raab in 15 vorher nicht bekannt gegebenen Wettbewerben an. Der Gewinner kann 500.000 Euro einstreichen.

Nun kann man ja erahnen, wer sich da bewirbt; austrainierte Hochleistungssportler mit einem IQ von mindestens 145, die ihr Studium in Rekordzeit abgeschlossen, nebenbei den Grundstein zur Bekämpfung von Krebs gelegt haben und in ihrer Freizeit Hundewelpen mit angeborener Kieferfehlstellung aufpäppeln. Kurzum: Menschen, gegenüber denen ich mir wie eine Null vorkomme und die ich deshalb instinktiv schon mal nicht leiden kann.

Und so kam es denn auch: von den 5 Herausforderern, die sich zu Beginn in peinlichen Posing-Videos vorstellten, hätte ich bis auf den Oberarzt mit dem coolen Namen Agamemnon alle gleich mal in die dunkle Streberkammer eingesperrt und den Schlüssel weggeworfen. Natürlich wurde beim Telefonvoting nicht der einzige ansatzweise sympathisch rüberkommende Teilnehmer gewählt, sondern die alleinige weibliche Vertreterin des Feldes. Nennen wir sie Esther, denn so hieß sie auch.

Abitur mit 1,0.
Schwarzer Gürtel im Tae-Kwon-Do.
Fit & durchtrainiert, dass mir beim Anblick allein schon die Achillessehne schmerzt.
Studium der Psychologie.
Erfolgreiche Geschäftsfrau.
Modelhafte Proportionen.

Oder wie ich zu sagen pflegen würde: die könnte man mir auf den Bauch schweißen, die würde ich abrosten.

Und jetzt kommt das Tolle: was hat sich unser Superweibchen blamiert! Ich lag auf der Couch und hielt mir den Bauch vor Lachen. Ein kleiner Rundgang durch die schönsten Momente:

- Hochsprung: bereits bei der Einstiegshöhe von 1,20 m war Schluss für die Dame. Herrlich! Der Antisportler in mir, der beim Weitsprung eine Bestleistung von 3,75 m (datiert um 1986) zu Buche stehen hat, jubelt.

- Bei einem stehenden Auto den Hinterreifen so durchdrehen lassen, dass selbiger schnellstmöglich platzt. Putzig: unsere Esther kriegt den Gang nicht rein und merkt wegen des Krachs, den Raab in seinem Wagen nebenan veranstaltet, nicht mal, dass sich bei ihr gar nichts bewegt. Erste Lachtränen kullern mir über die Wangen.

- Erdkunde. Die Aufgabe: auf einer Weltkarte ohne eingezeichnete Ländergrenzen mit einem Stift Hauptstädte markieren. Fröhliches Gejohle, als Madame Abi 1,0 mal wieder um ein paar tausend Kilometer daneben liegt.

- Papierflugzeuge basteln. Ein dickes Lob an die für die Wettbewerbe verantwortlich zeichnende Redaktion. Darauf muss man erst mal kommen. Da hilft weder Sportlichkeit noch Superhirn. Dementsprechend kläglich fiel das Esthersche Modell aus. In dieselbe Kerbe schlug auch der Wettbewerb "Erschmecken von drei verschiedenen, gleichzeitig verabreichten Nahrungsmitteln".

- Tischtennis: "Not gegen Elend", nannte es Raab selbst. Auch sehr gelungen seine Einschätzung: "Ich bin schon ziemlich scheiße, aber dass du noch schlechter bist, verwundert mich doch". Ich musste wirklich lachen.

- Elfmeterschießen. Madame Superfit mit einer Schusstechnik, die selbst die Engländer am Punkt besser hinkriegen. Raab musste sich zusammenreißen, um es ein klein wenig spannend zu machen.

- Reck. Die Krönung zum Schluss. Wer am längsten am Reck hängt, gewinnt. Und das war in dem Fall nicht unsere Muckibraut, weil sie auf den Gedanken kam, mal schnell lässig den Griff zu wechseln und dabei runterplumpste. Watt schööön.

Am Ende stand eine empfindliche Niederlage für die Herausforderin; ein wahres Labsal für Menschen wie mich, die zu Schulzeiten schon immer den Klassensupersportlern leise Beleidigungen entgegenzischelten, wenn diese beim Ausdauerlauf an einem vorbeizogen und dann noch anfeuernde Worte zurück ließen.

Für die nächste Sendung bitte wieder irgendwelche Athletenübermenschen einladen und Wettbewerbe wie z.B. "Erkenne die Death Metal Band" oder "Errieche den Käse mit dem am längsten abgelaufenen Haltbarkeitsdatum" einstreuen. Auf dass sie sich blamieren und ich mich in meiner Mittelmäßigkeit richtig wohl fühle.

Schadenfreude funktioniert also auch bei mir. Solange es die Richtigen trifft.

Kommentare

  1. Ein Hoch auf die Mittelmäßigkeit!
    Ein Hoch auf die Durchschnittlichen!
    Ein Hoch auf alle denen man nichs zutraut!
    Denn die hätten wahrscheinlich gewonnen.

    So eine lahme Kandidatin, wirklich lächerlich. Am meisten hat sich die Miss "Ich betreibe eine Indoor-Fussballhalle" wohl beim Elfmeterschiessen. Das letzte mal als ich jemanden so schiessen sah war ich noch sehr klein. Es handelte sich um ein etwa sechsjähriges Mädchen mit Gehbehindrung.

    Echt lächerlich.
    Wir sollten uns überlegen uns für die nächste Show zu bewerben, da gehts um ne Million...

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  2. Beim Tischtennis und beim Hauptstädteeinzeichnen hab ich auch kurz reingeschaltet. Diese Esther war mir auf Anhieb unsympathisch, und da wusste ich noch nicht einmal, dass sie so eine supererfolgreiche Frau ist. Was ich jetzt nicht kapiere: Waren da mehrere Kandidaten, die alle gegen Raab in 15 Disziplinen angetreten sind? Oder wurde von den Kandidaten am Anfang einer, Esther, gewählt?

    Außerdem ist Esther ein sehr unattraktiver Name. Oder es liegt nur an meiner Assoziation, wir hatten nämlich mal eine Esther in der Klasse, die war stark sehbehindert und hatte eine Panzerglasbrille, und irgendwas anderes hatte sie auch noch. Aber nett war sie.

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  3. @raphael: ich bin dabei, wenn es wirklich Aufgaben im Stile von "Erkenne die Death Metal Band" geben sollte.

    Beim Elfmeterschießen habe ich wirklich gelacht. Eine fallende Bahnschranke hätte die Schüsse entschärfen können...

    @pinkbuddha: zu Beginn durften sich die 5 Kandidaten in peinlichen Selbstinszenierungsvideos made in hell präsentieren. Danach wurde per Telefonvoting festgelegt, wer gegen Raab antritt. Hat offensichtlich die Hormonfraktion den Ausschlag für die einzige weibliche Kandidatin gegeben.

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  4. die war so schlecht, die Sendung, dass der Wegschalteknopf sich von ganz alleine drückte ... wenn sie wenigstens noch irgendwas versprüht hätte, Witz oder Charme oder sowas, doch Esther war der Beweis dafür, warum 1,0er-Schüler nicht in Klassengemeinschaften integriert werden können ...

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  5. Und sie hat nicht mal geflucht oder rumgeheult. Prädikats- und Einserkandidaten traue ich nicht über den Weg.

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