Das Wort zum EM-Spieltag #1: Deutschland gegen Schottland 5:1

Jetzt geht's los.

Viele Menschen in Deutschland denken so wie ich, aber es ist ein Tabu-Thema. Weshalb ich es hier und jetzt ebenso kraftvoll ansprechen möchte wie in diesem einen Werbespot der ältere, graubebartete Herr in der weißen Unterbuxe, der immer und immer wieder mit mir über Harnverlust reden will.

Der aktuelle Bundestrainer ist jünger als ich und damit komme ich nicht klar.

 

Nicht nur ein bisschen jünger im Stil von "Hey, immer noch meine Generation! Go get 'em, Sportsfreund", sondern ein komplettes EU-Wahlberechtigungsmindestalter. Das gab es vorher nicht.  

Julian Nagelsmann hat - harter Fakt incoming -  nicht mal einen der einzig wahren Star Wars-Filme im Kino gesehen. Oder als Bub das Hausaufgabenheft mit den Logos von Judas Priest und Iron Maiden vollgemalt, dass der Religionslehrer schon den Exorzistentalar überwerfen wollte. Indiana Jones kennt er wahrscheinlich nur als alten Mann und würde er sich eines Tages mit durchgetretenem Gaspedal in einem DeLorean auf schnurgerader Strecke befinden, wüsste er nicht, ab welcher Geschwindigkeit der Fluxkompensator optimal pulsiert und vor Panik erstmal bremsen!

Tut mir leid, aber solchen Menschen kann ich schon aus Prinzip keinen Vertrauensvorschuss entgegenherzeln. Dann war er auch noch in Hoffenheim, Leipzig und bei den Bayern tätig. Für mich die heilige Dreifaltigkeit der emotionslos kurzgefassten Absage, wenn der sich bei mir bewerben würde. Der feine Herr soll mich zuerst mal überzeugen, da bin ich wie der Brückentroll, der mit verschränkten Armen erst Leistung sehen will, bevor er den Weg zu seinem Herzen öffnet. Okay, eher den über die Brücke.
 

Den jungen Bolzbuben, deren Vater ich locker sein könnte, stehe ich da offener gegenüber. Die mögen nicht wissen, wo sie in ihrem BMW M8 das Frostschutzmittel einfüllen sollen, bei sanitären Notfällen am Kindersicherungsverschluss des Abflussreiniger-Power-Granulats scheitern und im Discounter wegen mangelnden Detailblicks immer den Diätjoghurt kaufen, aber die Bundesliga zeigt: treib sie auf ein Fußballfeld und sie funktionieren.
 

Ein paar Worte noch zu den Schotten:

Tolle Fans. Trinkfest. Sangesfreudig. Friedliche Stimmungskanonen. Gurgeln ein putziges Englisch. 

Das Team selbst kommt meist nicht unnötig weit in der Vorrunde bei Turnieren. Ich habe keine Ahnung, wer bei denen genau spielt. Dieser Satz wird übrigens so ziemlich in jedem Beitrag fallen. Denn als Vorbereitungslektüre verfüge ich diesmal nur über das Ferrero Sammelheft powered by kicker (auf dessen Cover Thomas Müller mimisch übrigens ein berückend schönes Cosplay eines jungen Odo aus Deep Space 9 nach dessen erstem Geschlechtsverkehr gibt) und das ist erschreckend unergiebig, was andere Mannschaften außer der deutschen Elf anbelangt.

Ganz ehrlich, wenn Schottland Europameister werden sollte, krächze ich mir aus tiefstem Herzen ein "Köngrääätüülööschns" aus der Kehle. Es sei denn, sie kontern uns in der Vorrunde raus und mauern sich dann wie vor 20 Jahren griechenlandlike zum Titel. Dann lösche ich diesen Absatz natürlich.  

Nachtrag: Aleksandar Pavlovic (a.k.a. The Bundesmandelentzündung) ist raus, Emre Can drin. Und ich weiß, auf wen ich meinen "kriegt im Turnier eine rote Karte"-Tipp abgebe. 

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We call it a traumstart.

Was sind diese Schotten für wunderbare Menschen. Die Fans, die Spieler, ja auch der Torwart. Denn sind mir mal ehrlich: Der Schuss von Wirtz war jetzt nichts, was man nicht um den rechten Pfosten hätte wedeln können. Aber nett, dass Gunn sich für das eigene Tor entschieden hat.
 
Gündogan endlich Weltklasse auf dem Platz mit seinem Pass vor dem 2:0. Musiala ganz entspannt im Strafraum und mit der Zeit, den Ball unter die Latte zu hämmern. Muss er aber auch machen.
 
3:0 - Elfmeter und Rot für Porteous. Havertz vervollständigt das Triumvirat der jungen Torschützen. Geht das optimaler zur Halbzeit? Klar, 0:5 in Rio gegen Brasilien, rufen sicher einige. Aber das darfst du in einem Eröffnungsspiel nicht bringen, danach kann es doch nur schlechter werden.

Jetzt freundlich sein, die Schotten nicht abschießen, damit sie vielleicht doch noch weiterkommen und die Tordifferenz ihnen nicht alles versaut. Alles gut. Wie kann man da keine Lust auf diese EM kriegen?

4:0 Füllkrug. Vollblutmittelstürmermäßig reingehauen, the good old not fackel way. Genau deshalb mag ich den Füllkrug.

4:1 - Ach, das ist menschlich, das ist herzlich: Rüdiger leitet einen Kopfball per Kopf ins eigene Netz. Die Schotten freut's, als hätten sie England vom Platz gesemmelt. Gibt es eigentlich wohltuende Eigentore? Das war jedenfalls eins. Typisch deutsch, wer da "Wieder nicht ohne Gegentor geblieben!" rumnölt.

5:1 - jetzt darf auch der Ersatzersatzmann ran. Can mit leicht abgefälschtem Schuss. Die Schotten will ich nun wirklich mit zwei erfolgreichen Spielen gegen die Schweiz und Ungarn sehen, die sind jetzt bereits mein bester Tabellendritter der Herzen.